Atomstreit:Koch attackiert Energieversorger

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Nach der Panne im AKW Krümmel streiten Union und SPD über die Laufzeiten alter Reaktoren. Doch selbst eingefleischte Atomkraft-Befürworter greifen die Stromkonzerne scharf an.

Nach dem neuen Störfall im Atomkraftwerk Krümmel ist eine heftige Debatte um die Abschaltung alter Reaktoren entbrannt. SPD-Chef Franz Müntefering kritisierte den Pro-Atomkraft-Kurs der Union. Unionspolitiker warnten die SPD im Gegenzug davor, den Atommeiler Krümmel zum Wahlkampfthema zu machen. Doch auch aus den Reihen der Atomkraft-Befürworter wurde Kritik an den Energieversorgern laut.

"Unbeschreibliche Dummheit": Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) kann sich über das Verhalten der Stromversorger nur wundern. (Foto: Foto: dpa)

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende und hessische Ministerpräsident Roland Koch griff die Energiekonzerne ungewöhnlich scharf an. "Die Dummheit der Energiekonzerne in ihrer Kommunikation ist kaum noch beschreibbar", sagte Koch dem dem Hamburger Abendblatt.

Betreiber, die sich verhielten wie Vattenfall in Krümmel, würden "unfreiwillig selbst zu den größten Gegnern der Kernkraft". Es mache ihn fassungslos, dass Energiekonzerne "es nicht so wichtig nehmen, wann sie etwas melden - vor allem in Krümmel, wo der Betreiber nach dem letzten Störfall zwei Jahre Zeit hatte, um zu üben".

Dennoch will Koch alle politischen Vorgaben für Laufzeiten deutscher Atomkraftwerke aufheben. Die Frage, wie lange ein Kernkraftwerk sicher sei, solle allein nach dem Stand von Wissenschaft und Technik entschieden werden, sagte Koch. Außerdem werde ein späterer Ausstieg aus der Atomkraftnutzung von der weiteren Entwicklung bei den erneuerbaren Energien abhängen.

Auch Hamburgs Regierungschef Ole von Beust (CDU) übte in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung Kritik an Vattenfall. Die technischen Probleme müssten rasch gelöst werden, sagte er. "Vattenfall muss wissen: Es ist Schluss mit lustig", sagte der CDU-Politiker.

"Gabriel herunterfahren"

Mehrere CDU-Ministerpräsidenten griffen Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) und Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier (SPD) an. Roland Koch wies die Forderung Gabriels zurück, den Bundesländern die Atomaufsicht zu entziehen und nannte Gabriel einen erfolglosen "Showpolitiker".

Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) warf Gabriel vor, mit den Ängsten dern Menschen zu spielen. "Man sollte nicht die Kernkraftwerke herunterfahren, man sollte Gabriel herunterfahren", sagte Wulff der Welt.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) sprach in der Diskussion um die Zukunft Krümmels Vizekanzler Steinmeier die Kompetenz ab, der eine dauerhafte Stilllegung Krümmels gefordert hatte.

"Ob und wie lange ein Kernkraftwerk betrieben werden kann, sollten Ingenieure, Techniker und die Atomaufsicht entscheiden, aber nicht Kanzlerkandidaten", sagte er der Bild am Sonntag. "Gar nichts zu tun haben die Vorgänge in Krümmel mit der Grundsatzfrage, wie lange in Deutschland und Europa die Kernkraft als wichtige Brückenenergie genutzt werden kann."

Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer sprach sich dagegen aus, die Debatte über die Sicherheit von Atomkraftwerken in den Mittelpunkt des Wahlkampfs zu stellen. Er betonte aber in der Rheinpfalz am Sonntag, wenn Fehler passiert seien, "müssen sie beim Namen genannt werden". Es sei auffällig, dass immer wieder Vattenfall in die Schlagzeilen gerate.

"Legt das Ding still"

SPD-Chef Müntefering warf der Union hingegen Verharmlosung vor. Die Union wolle den Atomkonsens wieder aufkündigen, sagte er dem Spiegel. "Wir werden aber dafür sorgen, dass der Atomkonsens umgesetzt wird, also schrittweiser Ausstieg. Die problematischen alten Meiler bis Ende der nächsten Legislatur, Krümmel sofort."

Vattenfall scheine nicht in der Lage zu sein, dieses AKW gewissenhaft zu betreiben. Die Menschen hätten zu recht Sorgen."Legt das Ding endlich still", forderte er.

Die Mehrheit der Deutschen hat der SPD-Vorsitzende dabei offenbar auf seiner Seite. Nach einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid für Bild am Sonntag sind fast drei Viertel der Deutschen sind dafür, dass ältere Atomkraftwerke sofort abgeschaltet werden.

72 Prozent der Befragten sprachen sich demnach für eine Stilllegung des Atomkraftwerkes Krümmel in Schleswig-Holstein und anderen älteren Atomkraftwerken aus. Nur 26 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass die alten Meiler weiter laufen sollen. Sogar 68 Prozent der Anhänger von CDU und CSU sind dafür, die älteren Atomkraftwerke sofort abzuschalten.

Der Europa-Chef von Vattenfall, Tuomo Hatakka, warnte derweil vor einem Anti-Atom-Wahlkampf. "Dieses Ereignis (die Panne in Krümmel) nun zu instrumentalisieren, ist unverantwortlich", sagte Hatakka dem Magazin Focus. Der Kurzschluss in einem Transformator sei "ein bedauerlicher Einzelfall" gewesen. Die Sicherheit des Reaktors sei zu keinem Zeitpunkt gefährdet gewesen.

© AFP/AP/dpa/gal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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