Atomstreit:Das iranische Geständnis

Die Regierung in Teheran gibt zu, was westliche Geheimdienste längst wissen. Doch wer Vertrauen schaffen will, verhält sich anders.

Paul-Anton Krüger

Geheimdienste haben es seit Jahren vermutet, nun hat Iran gegenüber der Internationalen Atomenergiebehörde eingeräumt, eine zweite Anlage zur Urananreicherung zu errichten.

Es besteht kein Zweifel daran, dass die Regierung in Teheran dieses Geständnis zu einem Beweis für ihre Offenheit und Kooperationswilligkeit umdeuten wird. Sie wird sich auf das formale Argument zurückziehen, sie müsse - nach ihrer eigenen Interpretation der Regeln - die Anlage überhaupt erst sechs Monate vor Inbetriebnahme den Atomkontrolleuren melden. Die Wahrheit ist wohl eine andere.

Das bislang geheim gehaltene Projekt ist den zahlreichen westlichen Spähern längst aufgefallen. Und es wirkt so dreist wie naiv, dass Iran augenscheinlich meinte, mit der Camouflage durchzukommen.

Mit dem jetzigen Bekenntnis kam Teheran aller Wahrscheinlichkeit nach nur der Bloßstellung durch die Amerikaner zuvor - egal, ob die sich ihr Wissen als Druckmittel für die Atomgespräche am 1. Oktober in Reserve halten wollten, oder ohnehin geplant hatten, die diplomatische Bombe vorher öffentlich platzen zu lassen. Teheran hatte offenbar mitbekommen, dass westliche Geheimdienste von der Anlage wussten und zog deshalb nun die Notbremse.

Die Entdeckung legt erneut die eklatante Schwäche der Atominspektionen in Iran offen: Die Kontrolleure können nur überprüfen, ob Iran in den bekannten Anlagen kein Uran für den Bau von Waffen abzweigt. Weil Teheran das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag zwar unterschrieben hat, es aber nicht anwendet, können die Inspektoren nicht nach möglichen geheimen Anlagen suchen. Wenn Iran aber schon eine Zentrifugenanlage, die durchaus zivilen Zwecken dienen kann, im Geheimen errichtet, wer soll dann noch darauf vertrauen, dass es keine geheimen Labors gibt, in denen Atomwaffen entwickelt werden?

Hinweise darauf verdichten sich, auch wenn der Beweis fehlt. Das einzig Positive in dieser Hinsicht: In der nun entdeckten Anlage wurde angeblich kein Uran angereichert. Iran konnte also nicht heimlich Bombenstoff beiseiteschaffen. Doch hat Teheran die Chance verspielt, die Kontrolleure frühzeitig zu informieren und so guten Willen zu zeigen. Niemand, der Vertrauen schaffen will, verhält sich wie die Regierung Irans.

Die fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder und Deutschland müssen Iran nun vor die Wahl stellen, seine internationalen Pflichten zu erfüllen oder schmerzhafte Sanktionen zu ertragen. Dafür muss es feste Fristen geben, denn zu viel steht auf dem Spiel: Ein möglicher Angriff Israels auf iranische Atomanlagen würde den Nahen Osten endgültig in Chaos und Blut stürzen. Andere Staaten der Region schielen ebenfalls auf die Bombe, und niemand kann garantieren, dass sie allein an Abschreckung interessiert sind. Wenn aber in Iran erstmals ein Berg durch einen Atomtest erbebt, dann hätte die internationale Gemeinschaft ihre Glaubwürdigkeit endgültig verspielt.

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