Süddeutsche Zeitung

Atompolitik in Frankreich:Energiewende à la Hollande

  • Die Nationalversammlung in Paris beschloss am Mittwochabend endgültig ein Gesetz zur Energiewende.
  • Sie soll dazu führen, dass der Anteil der Atomenergie an der Stromerzeugung des Landes von derzeit 75 Prozent auf 50 Prozent im Jahr 2025 sinkt.
  • Außerdem soll sich der Anteil erneuerbarer Energien wie Wind-, Sonnenenergie und Wasserkraft in den nächsten 25 Jahren mehr als verdoppeln.
  • Ob das letzte Wort in Sachen Kernkraft damit gesprochen ist, bleibt fraglich. Atomenergie hat in Frankreich traditionell viele Befürworter.

Von Stefan Ulrich

Gut drei Jahre nach seinem Amtsantritt will Präsident François Hollande nun eines seiner wichtigsten Wahlversprechen erfüllen: eine Energiewende in Frankreich, die dazu führen soll, dass der Anteil der Atomenergie an der Stromerzeugung des Landes von derzeit 75 Prozent auf 50 Prozent im Jahr 2025 sinkt. Außerdem soll sich der Anteil erneuerbarer Energien wie Wind-, Sonnenenergie und Wasserkraft in den nächsten 25 Jahren mehr als verdoppeln - auf dann 32 Prozent des Energieverbrauchs.

Die Nationalversammlung in Paris, in der der Sozialist Hollande eine Mehrheit hat, beschloss am Mittwochabend endgültig ein Gesetz zur Energiewende. Zuvor hatten die konservativen Republikaner von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, die im Senat dominieren, versucht, den teilweisen Ausstieg aus der Atomkraft unverbindlicher zu formulieren. Das letzte Wort hatte jedoch die Nationalversammlung.

Mit gutem Beispiel voran: In Paris findet im Herbst die UN-Klimakonferenz statt

"Frankreich stattet sich mit dem fortschrittlichsten Gesetz in Europa aus", sagte Umweltministerin Ségolène Royal. Hollande nannte die Energiewende eines der wichtigsten Projekte seiner Amtszeit. Er hofft, dadurch die französischen Grünen, die stark auf Distanz zu ihm gegangen sind, rechtzeitig vor der Präsidentschaftswahl 2017 wieder für sich zu gewinnen. Die Grünen stimmten ebenfalls für die Energiewende.

Zum anderen möchte der Präsident mit dem Gesetz ein Zeichen setzen, dass Frankreich sich besonders für den Klimaschutz engagiert. Hollande wird Ende November und Anfang Dezember Gastgeber der Klimakonferenz der Vereinten Nationen sein. Mit dem eigenen guten Beispiel will er die Konferenz nun zum Erfolg führen. Ministerin Royal findet, durch das Gesetz werde Frankreich zur "Nation des exzellenten Umweltschutzes".

Kritiker bemängeln, das Gesetz bleibe viel zu vage

Das neue Gesetz schreibt vor, dass Frankreich seinen Energieverbrauch bis zum Jahr 2050 halbiert. Der Ausstoß an Treibhausgasen soll in den kommenden 40 Jahren um 40 Prozent zurückgehen. Dies soll das Land unter anderem dadurch erreichen, dass es deutlich weniger fossile Energieträger wie Kohle und Gas benutzt. Das Gesetz sieht Anreize zur besseren Dämmung von Häusern, zum Kauf schadstoffärmerer Autos oder zur Förderung des Fahrradfahrens vor.

Kritiker bemängeln jedoch, es bleibe viel zu vage, wie all die großen Ziele konkret erreicht werden sollten. So sage das Gesetz nichts darüber aus, wie der Güterverkehr energiesparender und klimafreundlicher abgewickelt werden könne. Die Republikaner bemängeln zudem, es sei widersinnig, einerseits eine drastische Reduzierung der Treibhausgase zu versprechen und andererseits auf Atomenergie zu verzichten.

Das letzte Wort zur Atomkraft dürfte denn auch noch nicht gesprochen sein. Die Nuklearindustrie gehört im französischen Selbstverständnis zu den Trümpfen des Landes. Sie steht in der Sicht vieler Franzosen - durchaus auch auf der linken Seite und im Gewerkschaftslager - für technologischen Fortschritt, günstige Strompreise und die Unabhängigkeit Frankreichs bei der Energieversorgung vom Ausland. Der staatlich dominierte Energiekonzern EDF, der die französischen Atommeiler betreibt, möchte bestehende Anlagen renovieren und die Laufzeiten verlängern. Auch aus der Regierung Hollande heißt es, die Nuklearbranche sei weiter unerlässlich für den Erfolg der Energiewende und den Klimaschutz.

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SZ vom 23.07.2015/cmy
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