Schließlich meldet sich noch Christian Järnecke zu Wort, der Bürgermeister der Samtgemeinde Gartow. Dass man da "jetzt alles platt und grün machen" wolle, das geht ihm zu weit. Die Kommune könne sich gut vorstellen, die Liegenschaft noch zu nutzen, und sei es für eine Schule. "Der Gebäudebestand ist zu jung, um ihn abzureißen", findet Järnecke. Ob Schülerinnen und Schüler je werden ermessen könnten, wo sie da eigentlich sitzen?
So endet sie, die Geschichte des Endlagerprojekts Gorleben. Der Bund hat am Freitag den letzten Schritt getan: Der Salzstock soll verfüllt und verschlossen werden. "Damit ist das Kapitel Endlager Gorleben geschlossen", sagt Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth - der selbst als junger Mensch im Wendland demonstriert hatte. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), die vor allem ein neues Endlager in Deutschland finden soll, treffe nun alle Vorbereitungen, um insgesamt 328 000 Kubikmeter Hohlraum zu schließen.
Über Jahrzehnte hinweg galt der Salzstock als der Favorit für die Lagerung des gefährlichsten deutschen Abfalls, des hoch radioaktiven Atommülls. 1977 hatte der damalige niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht den Aufbau eines Atomkomplexes im Wendland angekündigt. Nahe der Zonengrenze sollte neben einem Atom-Endlager auch eine Wiederaufarbeitungsanlage entstehen. In der Folge wurde Gorleben zur Pilgerstätte und zum Symbol der deutschen Anti-Atom-Bewegung. Bauern und Umweltschützer bekämpften das Projekt, Castor-Transporte zum benachbarten Zwischenlager führten zum Tauziehen zwischen Polizei und Demonstranten. Atomkraftgegner besetzten ein Waldstück und gründeten die "Freie Republik Wendland", bis Tausende Polizisten sie aushoben.
Aber das alles verschwinden lassen, bis zur "grünen Wiese"? Zunächst müsse nun die Verfüllung geplant werden, sagt BGE-Chef Stefan Studt. Material dafür gibt es reichlich, es wurde insgesamt 16 Jahre lang aus dem Bergwerk herausgeholt: Von 1986 bis 2012, unterbrochen von einem zehnjährigen Moratorium der rot-grünen Bundesregierung. Heute lagert es auf einer Salzhalde nahe des Bergwerks, von wo es zu den Schächten transportiert werden muss. "Es dauert zwei bis drei, vielleicht vier Jahre, bis wir mit dem Verfüllen beginnen können", sagt Studt. Aber was sind schon vier Jahre bei diesem Projekt?
Ein Jahr ist es her, dass Gorleben offiziell als Endlagerkandidat ausschied. Die BGE hatte in einem ersten Auswahlverfahren "Teilgebiete" ausgewählt, die rein geologisch für die Lagerung von Atommüll infrage kommen; es war der erste Schritt der bundesweiten Endlagersuche. Am Ende umfassten die geeigneten Regionen 54 Prozent der Bundesfläche. Doch Gorleben war nicht mehr dabei. Zu vielen Kriterien hatte der Salzstock, an dem vor allem die Energiewirtschaft lange festgehalten hatte, nicht genügt. Die Entscheidung für Gorleben sei eben nicht nach wissenschaftlichen, sondern nach politischen Kriterien gefallen, sagt Umwelt-Staatssekretär Flasbarth. "Was der Staat machen kann, ist aus Fehlern zu lernen."
Zehn Jahre veranschlagt die BGE für die Rückkehr zur mehr oder weniger grünen Wiese. Finanziert werden soll das aus einem öffentlichen Fonds, der die Entsorgungs-Rückstellungen der Atomkraftbetreiber verwaltet. Wie viel das letzte Kapitel Gorleben kosten wird, lasse sich noch nicht beziffern, sagt Studt. 1,9 Milliarden Euro hat das Projekt bisher verschlungen - davon zuletzt jährlich allein 20 Millionen Euro, um das Bergwerk betriebsfähig zu halten. Als Nächstes müsse man sich nun um das Wendland kümmern, sagt Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD), der Atomstreit habe die ganze Region belastet. "Die Frage ist: Wie können wir der Region ein Stück von dem wiedergeben, was wir ihr genommen haben?"