Süddeutsche Zeitung

Atommüll:Bayern pocht auf Einfluss

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Sachlich und fair sollte es zugehen bei der neuen Endlagersuche für Atommüll. Doch nun streiten die Länder über die Besetzung des Nationalen Begleitgremiums.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Transparenz, Unabhängigkeit, Wissenschaftlichkeit - nichts spiegelt den neuen Anspruch bei der Endlagersuche so wieder wie das "Nationale Begleitgremium". Es soll die Festlegung eines neuen Atommüll-Standorts "vermittelnd und unabhängig" begleiten, so will es das zugehörige Gesetz. Damit wiederum soll das Gremium das "Vertrauen in die Verfahrensdurchführung" stärken. Alles soll diesmal anders laufen als einst beim Salzstock Gorleben. Das war zumindest die Idee.

Doch ausgerechnet um dieses Gremium entbrennt nun der erste große Streit bei der Endlagersuche. Genauer: um seine künftige Besetzung. Zwölf der insgesamt 18 Mitglieder sollen "anerkannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens" sein, so verlangt es das Gesetz. Bestimmt werden sie von Bundestag und Bundesrat über einen "gleichlautenden Wahlvorschlag". Weitere sechs sind mehr oder weniger zufällig bestimmte Bürgerinnen und Bürger. Aber um diese sechs geht es jetzt nicht.

Die bayerische Regierung hat festgeschrieben: bei uns kein geeigneter Standort

Denn von den zwölf Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sind zuletzt drei ausgeschieden: der Freiburger Chemiker Rainer Grießhammer, der Dresdner Physiker Roland Sauerbrey und Werner Rühm, ein Münchner Experte für Strahlenschutz. Über die Nachfolge sollen die Länder entscheiden dürfen, schließlich hatten die auch die drei ausgeschiedenen Persönlichkeiten bestimmt. Doch jetzt stehen sie vor einem handfesten Problem: Für die drei vakanten Posten gibt es vier Kandidaten, und dahinter vier Landesregierungen. Jede Einigung ist fern, denn keine möchte verzichten.

Normalerweise fällt es den Ländern nicht schwer, genau drei Posten einvernehmlich zu besetzen. Schließlich gibt es an den Spitzen der Bundesländer auch genau drei Parteienfarben: Als A-Länder verstehen sich die SPD-geführten, als B-Länder die mit Unions-Ministerpräsidenten, als G-Land das von einem Grünen geführte, nämlich Baden-Württemberg. Und dann gibt es diesmal noch Bayern.

Der Streit währt schon seit Monaten, eigentlich hätte schon im März feststehen sollen, wer die drei Nachrückerinnen und Nachrücker sind. Leute, die mit dem Verfahren vertraut sind, schildern die Vorgänge so: A-, B- und G-Länder seien sich eigentlich schon einig gewesen. So habe die SPD einen brandenburgischen Kandidaten vorgeschlagen. Die Grünen hatten einen Vorschlag aus Baden-Württemberg, die Union einen aus Sachsen. Aber die bayerische Staatsregierung pocht ebenfalls auf einen Kandidaten. Dabei hatte die doch schon in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten, "dass Bayern kein geeigneter Standort für ein Atomendlager ist"; und das ganz ungeachtet der Atomkraft-Begeisterung ihres Ministerpräsidenten Markus Söder. Der war noch im April dafür eingetreten, das Akw Isar 2 trotz Atomausstiegs wieder ans Netz zu nehmen.

Koordinieren muss den gemeinsamen Vorschlag der Länder die Staatskanzlei in Hannover, denn Niedersachsen führt den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz. Dort wächst der Unmut über die Kollegen in München - denn ohne Einvernehmen keine Entscheidung. Obendrein ist Bayern jetzt schon vertreten, etwa durch den ehemaligen Ministerpräsidenten und CSU-Mann Günther Beckstein. Oder durch die Münchner Professorin Miranda Schreurs, die Co-Vorsitzende des Begleitgremiums.

Ein unabhängiges Gremium wird jetzt besonders gebraucht

Nach dem Ausscheiden des Saarlands aus der engeren Wahl seien von der Endlagersuche "immer noch 15 Länder betroffen, die zusammen mit dem Bund aber überhaupt nur zwölf Plätze besetzen können", sagt Jörg Mielke, der Chef der niedersächsischen Staatskanzlei. "Von daher ist es abwegig, dass ein Land wie Bayern nach wie vor 25 Prozent dieser Plätze allein für sich beansprucht." Bei den Nachbesetzungen müssten auch andere zum Zuge kommen, verlangt Mielke.

Die bayerische Staatsregierung möchte zu den laufenden Gesprächen nichts sagen. Die Frage werde "auf Arbeitsebene sicherlich positiv gelöst", erklärt ein Sprecher. Eine Rolle spielt aber anscheinend, dass unter den ausgeschiedenen Mitgliedern ein Bayer ist, den man durch einen ebensolchen ersetzen möchte. Aber vier sind eben einer zu viel. "Das Ergebnis ist, dass dieses wichtige Gremium dem Grunde nach jetzt nicht arbeitsfähig ist", sagt der grüne Abgeordnete Harald Ebner, der Chef des Umweltausschusses. "Und das in einer Zeit, in der es besonders gebraucht wird." Schließlich würden demnächst schrittweise Regionen identifiziert, die für ein Endlager in Frage kommen können. "Gerade jetzt", sagt Ebner, "brauchen wir unabhängige Begleitung."

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