Atommüll:Ein Endlager für die Ewigkeit – und umgekehrt

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Das Atommüllzwischenlager in Ahaus, hier lagern derzeit ausgediente Brennelemente oberirdisch. (Foto: Ralf Rottmann/Imago)

Eigentlich sollte bis 2031 feststehen, wo der gefährlichste Atommüll im Land gelagert werden soll. Jetzt hat ein Gutachten den Zeitbedarf neu überschlagen. Es landet bei 2074.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Was so eine Suche nach einem Atomendlager bedeutet, das wusste Winfried Kretschmann schon 2011. Man habe es hier schließlich mit „biblischen Zeiträumen“ zu tun, sagte der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg seinerzeit. Bund und Länder waren da gerade in Gespräche für eine neue Standortsuche eingetreten. Damals dachte auch Kretschmann bei den biblischen Zeiträumen vor allem an die Ewigkeiten, für die der gefährlichste deutsche Müll sicher gelagert werden muss. Dass aber auch die Suche nach einem Standort eine halbe Ewigkeit brauchen würde, ahnte keiner.

Diesen Mittwoch hat das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) eine „Prozessanalyse“ für die Standortauswahl vorgelegt, Ergebnis: Ein Standort für ein Endlager könnte frühestens in 50 Jahren gefunden sein, also 2074. Und das ist, glaubt man dem Gutachten, noch der Idealfall, in dem nichts schiefgeht. Das Öko-Institut und die Berliner Kanzlei Becker Büttner Held haben das Gutachten im Auftrag des BASE gefertigt.

Ein neuer Ort muss allen Zweifeln und Widerständen standhalten

Doch gemessen an den Plänen, die Bund und Länder einst ausgeheckt hatten, wäre das ein Verzug um 43 Jahre. Denn schon Paragraf 1 des Standortauswahlgesetzes fasste noch 2017 ganz andere Zeiträume ins Auge: „Die Festlegung des Standortes“, so heißt es da, „wird für das Jahr 2031 angestrebt.“ Fünf Jahre später säte die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), die derzeit die geologischen Vorarbeiten für die Suche leistet, erste Zweifel an dem Termin. Frühestens 2046 werde es so weit sein, bis ein Standort bestimmt ist, schrieb die Bundesfirma damals. Je nach Aufwand könne sich das aber auch bis 2068 ziehen.

Das neue Verfahren sollte nach dem Scheitern des Projekts Gorleben endlich einen Endlager-Ort zutage fördern, der allen Zweifeln und Widerständen standhält – allein durch die Gründlichkeit des Verfahrens. In jeder Phase sollten Bürger und Öffentlichkeit beteiligt werden, und nach jeder Phase sollte sich der Bundestag mit dem Ergebnis befassen und den nächsten Schritt einleiten. So sollen als Nächstes bis 2027 Standortregionen benannt werden, in denen dann immer genauer untersucht wird, wo ein Endlager am besten aufgehoben ist.

Wie viele Regionen das sind, ist offen – und hier sieht die Studie die größte Unbekannte. Die Zahl der Standortregionen ziehe „unabwendbare Folgen nach sich, die mit Folgerisiken für das Verfahren verbunden sein können“, heißt es. So müssen etwa überall erst die Bürger beteiligt werden.

Immerhin das Gutachten ist nun schneller da als gedacht – noch vor einem Monat hatte Jan-Niclas Gesenhues (Grüne), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium, in einer Fragestunde des Bundestags behauptet, der Abschluss des Projekts werde „voraussichtlich nicht vor 2025 erfolgen“. Auch die Ergebnisse interpretiert das Ministerium anders als seine Fachbehörde. Während das BASE die Zeiträume für „durchaus realistisch“ hält, sind sie dem Umweltministerium zu pessimistisch. So könnten bei der Erkundung der Endlagerkandidaten „große Zeiten eingespart werden“, findet das Ministerium. Wer recht behält, muss sich weisen. Eines aber ist schon klar: Wenn der Standort gefunden ist, ist noch kein Gramm Atommüll entsorgt.

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