Süddeutsche Zeitung

Atommüll:Der Schatz von Gorleben

Lesezeit: 3 min

2005 verbot der Bund jede Nutzung des Salzstocks Gorleben, um das potenzielle Endlager nicht zu gefährden. Jetzt ist der Streit darüber neu entbrannt.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Eigentlich steht der Nutzung des Salzstocks Gorleben nicht viel im Wege. Es gibt einen entsprechenden Betriebsplan, den Gerichte mal gutgeheißen haben. Es gibt sogar eine Gesellschaft, die jederzeit bereitstünde - nur eben nicht für die Lagerung von Atommüll, sondern für die Förderung von Salz. "Wenn man uns ließe, könnten wir sofort loslegen", sagt Thomas Hauswaldt, Geschäftsführer der Salinas GmbH. Schließlich habe sich am Zweck der Gesellschaft nichts verändert: "Wir wollen das schöne Salz nutzen und nicht verstrahlen", sagt Hauswaldt. "Wir finden es einen Skandal, dass man unsere Geschäftstätigkeit seit Jahren verhindert."

2005 hatte ein Oberverwaltungsgericht die Pläne von Salinas gebilligt, kurz darauf zog ein Grüner die Notbremse: Jürgen Trittin, damals Bundesumweltminister, erließ eine "Veränderungssperre", sie verbot jede andere Nutzung des Salzstocks. Der sollte zwar nicht weitererkundet werden, seinerzeit galt ein Moratorium. Aber unbrauchbar werden sollte er auch nicht. Genau darauf aber zielt die "wirtschaftliche Nutzung" des Salzes, denn bei der Förderung würde der Schatz von Gorleben nach Kräften durchlöchert. Nicht von ungefähr zählen zu den Salinas-Gesellschaftern viele Gegner des einstigen Atommüllprojekts.

Ob Gorleben jemals Endlager wird, ist unsicher wie nie

Nur konnte 2005 keiner ahnen, dass Gorleben zehn Jahre später nur noch ein potenzielles Projekt von vielen sein würde. Im August 2015 läuft die Sperre aus - während eine neu geschaffene Kommission hektisch über ein Verfahren sinnt, wie sich ein neues Endlager finden ließe. Ob Gorleben jemals Endlager wird, ist unsicher wie nie, offiziell existiert inzwischen eine "weiße Landkarte": Alle potenziellen Standorte sollen gleich behandelt werden. Trotzdem soll die "Veränderungssperre" verlängert werden, das Kabinett machte kurz vor Ostern den Weg dafür frei. Nun muss nur noch der Bundesrat zustimmen. Nur noch.

Am Montag befasste sich die Endlagerkommission stundenlang mit der Spezialregel für Gorleben, die Frage rührt an den Grundfesten der Endlagersuche. Werden in einem neuen Verfahren wirklich alle Standorte gleich behandelt? Oder ist die Sperre in Gorleben nur ein weiteres Präjudiz für den Salzstock im Wendland? "Ich habe den Begriff der weißen Landkarte nie benutzt, weil ich gedacht habe: Da ist so ein Fleck drauf", sagt Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel, ein Grüner. "Tatsächlich ist das gesamte Bundesgebiet potenzieller Suchraum." Also bräuchte es auch Regeln, die Veränderungen an anderen Orten genauso sperrten. Im Übrigen gebe das geltende Bergrecht genug Möglichkeiten, eine Durchlöcherung Gorlebens zu verhindern. Eine Veränderungssperre sei unnötig. Viele in der Kommission sehen das ähnlich, viele grundlegend anders.

So steht der Gorleben-Konflikt, der doch mit der Kommission gelöst werden sollte, abermals im Zentrum. Würde die Veränderungssperre gekippt, und könnte Salinas dann doch ans Werk gehen - dann wäre Gorleben endgültig aus dem Rennen. Die weiße Landkarte hätte ihr erstes Loch. Würde dagegen tatsächlich das ganze Bundesgebiet zum Suchraum, dann könnte faktisch nirgendwo mehr ein Loch gebohrt werden, sei es für Salzabbau oder Geothermie. Denkbar wäre auch, Veränderungen überall da zu verbieten, wo Geologen theoretische Chancen für ein Endlager sehen. "Dann frage ich mich aber, was macht das mit der Ergebnisoffenheit der Debatte", wirft der Kieler Umweltminister Robert Habeck ein, ebenfalls ein Grüner. Schließlich müssten dann überall im Land Bürger befürchten, es sei schon eine erste Vorfestlegung für ihre Region erfolgt. Auch für die Grünen ist die Lage knifflig.

Eine einfache Lösung gibt es nicht, doch der Tag der Entscheidung naht. Anfang Mai soll der Bundesrat über die Veränderungssperre befinden; die Länder müssen der Verordnung zustimmen. Derzeit versucht Niedersachsen, die Beschlüsse zu verschieben, um mindestens zwei Monate. Das Bundesumweltministerium dagegen wirbt mit Verve für die zehnjährige Verlängerung. "Ohne die Veränderungssperre besteht keine ausreichende Rechtssicherheit, dass Dritte keine Veränderungen am Salzstock vornehmen", schrieb Ende voriger Woche der zuständige Abteilungsleiter Wolfgang Cloosters an die Länder. Das Ministerium plane aber, "geeignete Instrumente für eine möglichst frühzeitige Sicherung sämtlicher potenzieller Endlagerstandorte zu entwickeln". Nur brauche das Zeit. Auch die Endlagerkommission verlangte am Montag solche Alternativen.

Und die Salinas GmbH? Die verkauft einstweilen Salz aus der niedersächsischen Saline Luisenhall. "Aber das ist natürlich nicht so toll wie das Salz von Gorleben", sagt Salinas-Chef Hauswaldt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2443857
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 21.04.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.