Atommüll-Ausfuhr in Drittstaaten:Brisante Exportware

Fukushima hin oder her: Atommüll aus Europa darf weiter in andere Länder entsorgt werden - egal wie deren Sicherheitsstandards sind. Dass das Ausfuhrverbot scheitert, ist eine weitere große Niederlage für EU-Kommissar Günther Oettinger.

Cerstin Gammelin, Brüssel

Europas Atomkraftwerksbetreiber sollen weiterhin radioaktive Abfälle in Drittländer ausführen dürfen. Das sieht eine EU-Richtlinie vor, die an diesem Dienstag in Brüssel am Rande der Beratungen der europäischen Agrarminister quasi nebenbei mit verabschiedet werden soll. Danach bleibt die Ausfuhr von radioaktiven Abfällen zur Endlagerung auch in solche Länder erlaubt, die keine ausreichenden Sicherheitsstandards nachweisen können.

Oettinger will Atommuellexport verbieten

Arbeiter verladen im Verladebahnhof Dannenberg Atommüllbehälter. EU-Energiekommissar Günther Oettinger wollte den Export von radioaktivem Abfall in Länder mit mangelnden Sicherheitsvorkehrungen untersagen. Er ist damit gescheitert.

(Foto: ddp)

"Das ist ein riesiger Skandal", sagte Rebecca Harms, Vorsitzenden der Grünen im Europaparlament der Süddeutschen Zeitung. "Energiekommissar Oettinger muss diese Richtlinie zurücknehmen", forderte sie. Nur so bleibe die Möglichkeit offen, das ursprünglich von Günther Oettinger vorgeschlagene Exportverbot doch noch verhandeln und später durchsetzen zu können.

Wird die Richtlinie wie geplant verabschiedet, muss der EU-Energiekommissar eine weitere große Niederlage in seiner europäischen Atompolitik einstecken. Vor einigen Wochen scheiterte Oettinger bereits mit seinem Vorhaben, alle europäischen Kernkraftwerke strengen, von unabhängigen Experten durchgeführten Stresstests zu unterwerfen. Damals wurde er von Mitgliedsstaaten zurückgepfiffen, die ihrer Atomindustrie diese Tests nicht zumuten wollten. Die nach der Intervention beschlossenen Tests fallen vergleichsweise bescheiden aus und werden von den ohnehin zuständigen Betreibern der Kraftwerke und nationalen Aufsehern durchgeführt.

Auch beim Exportverbot würde Oettinger an den europäischen Ländern scheitern. Lediglich Schweden, Österreich und Luxemburg unterstützen seine ursprüngliche Absicht, die Ausfuhr radioaktiver Abfälle in Drittländer zur Endlagerung generell zu verbieten. Ein solches Verbot sei "ein Grundprinzip der verantwortungsvollen Entsorgung dieses Materials", hatte Oettinger erklärt. Ausnahmen sollten auf die Ausfuhr abgebrannter Brennelemente aus Forschungsreaktoren begrenzt werden.

Mit dem angekündigten Ausfuhrverbot wollte Oettinger sicherstellen, dass die hochgefährlichen Abfälle nur in solchen Ländern gelagert werden, die vergleichbar hohe Sicherheitsstandards nachweisen wie die Europäer sie vorschreiben.

Besonders skandalös sei, dass die "großen europäischen Atom-Nationen den Vorschlag nicht unterstützen", kritisierte Harms. Frankreich, Deutschland und Großbritannien zeigten "keine Verantwortung". Geradezu enttäuschend sei das Verhalten der Bundesregierung. Berlin proklamiere daheim die Energiewende und begründe sie damit, dass die Katastrophe in Fukushima gezeigt habe, wie gefährlich und unkontrollierbar Atomkraft sei. "Aber das gilt wohl nicht für europäische Atommüllexporte", sagte Harms.

Offensichtlich wolle die Bundesregierung weitere Auseinandersetzungen mit Bürgern und der Atombranche vermeiden. "Atommüll zu exportieren ist billiger als ein Endlager im eigenen Land zu suchen", sagte die europäische Grünen-Chefin. Zudem würden auch Konflikte mit den Bürgern um die Endlager vermieden - was ja andernfalls Wählerstimmen kosten könnte.

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