Atomkraft:Konzerne sollen 23 Milliarden zahlen

Höhere Kosten für die Entsorgung des Strahlenmülls will der Bund bezahlen - die Firmen lehnen den Deal ab.

Von M. Bauchmüller, Berlin

Deutschlands Stromkonzerne sollen große Teile ihrer Atom-Rückstellungen in einen Fonds einzahlen. Eine Regierungskommission verständigte sich am Mittwoch einstimmig darauf, den Konzernen mindestens 23,3 Milliarden Euro abzuverlangen. Sie sollen, nebst Zinsen, in einen Fonds fließen, aus dem dann die komplette Entsorgung des radioaktiven Erbes finanziert werden soll. Die Unternehmen, die bislang bis zum letzten Cent für die Entsorgung haften sollten, müssen nur noch für den Rückbau ihrer Kernkraftwerke selbst aufkommen.

Der Kompromiss ist das Ergebnis monatelanger Debatten in der Kommission. Sie sollte klären, wie sich die Rückstellungen der Konzerne auch für den Fall sichern lassen, dass die Unternehmen sich aufspalten oder ganz verschwinden. Die vier Stromkonzerne RWE, Eon, Vattenfall und EnBW haben für die Abwicklung der Atomenergie insgesamt 40 Milliarden Euro an Rückstellungen gebildet. Zuletzt hatte sich die wirtschaftliche Lage der Unternehmen massiv verschlechtert, nicht zuletzt wegen Atomausstieg und Energiewende.

Ziel sei es, "die Kuh, die man melken muss und will, nicht von vornherein zu schlachten", sagte der SPD-Politiker Matthias Platzeck, einer der drei Vorsitzenden der Kommission. Gleichzeitig habe man die Lasten nicht dem Steuerzahler aufgebürdet. "Mit diesem Ergebnis kann die deutsche Gesellschaft leben", sagte Platzeck. Zusammen mit dem CDU-Politiker Ole von Beust und dem Grünen Jürgen Trittin hatte er die Kommission geleitet.

Nach Vorstellungen der Kommission soll der Fonds von dem Zeitpunkt an zuständig sein, zu dem der Atommüll in Castoren oder Fässer verpackt in den Zwischenlagern steht. Die Konzerne haften dann nicht mehr für etwaige Kostensteigerungen, etwa beim Bau eines Endlagers. Im Gegenzug überweisen sie einen "Risikoaufschlag" von gut sechs Milliarden Euro. Er ist in der Gesamtsumme enthalten.

Wirtschaftsprüfer taxieren die Gesamtkosten der Entsorgung auf 47,5 Milliarden Euro. Allein knapp 20 Milliarden Euro davon entfallen auf den Rückbau der verbliebenen AKWs, den die Unternehmen weiter aus den Rückstellungen begleichen sollen. Ein eigener Gesetzespassus soll sie verpflichten, die Kraftwerke schnell und komplett zurückzubauen. Damit entfiele die Möglichkeit, sie zunächst in einer Betonhülle einzukapseln und erst viele Jahre später abzureißen.

Die Bundesregierung muss die Empfehlungen der Kommission nun aber noch umsetzen. Entsprechende Zusagen des Kanzleramts gebe es schon, sagte der Co-Vorsitzende von Beust. Das einstimmige Votum spreche für sich. Die vier Konzerne dagegen warnten in gleichlautenden Erklärungen vor einer Überforderung. Die Einigung belaste "die betroffenen Energieunternehmen über ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hinaus". Die Aktien der Konzerne legten am Mittwoch dennoch zu.

Umweltschützer dagegen sprachen von einem "teuren Ablasshandel". Der Bund entlasse die Unternehmen für einen "unverschämt niedrigen Preis aus der Haftung für das Hochrisikogeschäft Atom", kritisierte Greenpeace.

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