Atomkraft:Der Zahn der Zeit

Europas Atomkraftwerke werden immer älter. Die ältesten stehen gefährlich nahe der deutschen Grenze.

Von Michael Bauchmüller

Jedes neue Jahr birgt für Europas Atomkraftwerke eine zwar banale, aber womöglich folgenschwere Gewissheit: Sie altern. Das älteste AKW der Welt, der Schweizer Meiler Beznau 1, geht 2016 in sein 47. Betriebsjahr. Das französische Kernkraftwerk Fessenheim wird 39 und Block 1 im belgischen Tihange 41 Jahre alt. Alle liegen unweit der deutschen Grenze, und alle stehen vor demselben Problem: An ihnen nagt der Zahn der Zeit.

Wer einen Oldtimer fährt oder mit älteren Maschinen arbeitet, der weiß, was das heißt: Es mehren sich die Pannen. Die müssen nicht gefährlich sein, aber die Zeit fordert Tribut. So auch in einer Reihe belgischer Reaktoren in jüngerer Zeit: Erst fanden sich Tausende Risse in zwei Kraftwerksblöcken, die aber angeblich ganz harmlos sind. Dann mussten binnen einer Woche zwei AKW-Blöcke nach Zwischenfällen vom Netz. Einem davon war pikanterweise eben erst der Betrieb für 50 statt 40 Jahre genehmigt worden.

So löst sich zwar Deutschland nun peu à peu von der Atomkraft, die Nachbarn aber kommen nicht davon los. Belgien hat den Ausstieg in letzter Minute verschoben, um seine ältesten Reaktoren am Netz zu halten. Frankreichs AKW Fessenheim soll nicht mehr 2016, sondern erst 2018 abgeschaltet werden - zu abhängig sind die Nachbarn vom Atomstrom. Für das Alter ihres Reaktorparks lässt das nichts Gutes ahnen. Und der Wind bläst in diesen Breiten meistens von Westen.

© SZ vom 04.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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