Süddeutsche Zeitung

Atomkonzerne in Japan:Korruption, die vom Himmel fällt

Jahrelang hat Japan so getan, als gäbe es keine Alternative zur Atomkraft, dabei besitzt das Land viele natürliche Energiequellen. Doch die werden nicht genutzt - denn die Atomkonzerne schmieren Beamte mit hochbezahlten Beraterjobs.

Christoph Neidhart, Tokio

Japan habe keine Alternative zur Kernenergie, heißt es. Richtiger ist: die Regierung in Tokio hat erneuerbare Energien bisher vernachlässigt oder ignoriert, dafür pries sie die Kernkraft als grüne Energie. Das Stromsparen und die Förderung alternativer Energien sind dabei ins Hintertreffen geraten: Während Japans Industrie weltweit die höchste Energie-Effizienz erreicht, verschwenden Japans Konsumenten Strom. Ihre Häuser, meist aus Fertigteilen gebaut, sind nicht isoliert, die dünnen Wände dämmen keine Wärme. Im Winter wird deshalb mit Klimaanlagen geheizt, im Sommer gekühlt. Erklärt wird die Billigbauweise mit den hohen Grundstückpreisen: Wer Land gekauft habe, könne nicht auch noch Geld für gutes Bauen ausgeben. In Japan werden zwar Isolierfenster hergestellt, aber fast nur für den Export.

Dabei hat Japan eine lange Geschichte des Energiesparens: Vor 200 Jahren galten in vielen Regionen Gesetze, die den Wohnraum der Menschen begrenzten - und damit auch den Verbrauch von Brennholz. Auch Bauvorschriften zielten aufs Energiesparen.

In den vergangenen Jahren dagegen animierten Stromkonzerne ihre Kunden dazu, immer mehr Elektrizität zu verbrauchen. Firmen wie Tepco wollten wachsen. Überall in Japan stehen Automaten mit heißen und gekühlten Getränken. Selbst in diesen Zeiten der Black-Outs rasseln in den Spielhallen die Pachinko-Automaten. Japan hätte durchaus Stromspar-Potential.

Das aber wurde nicht gefördert - genauso wenig wie alternativen Energiekonzepte, für die es in Japan durchaus Ansätze gibt. Lieber förderte die Regierung über Jahre hinweg die Mega-Kraftwerke. Das hing auch damit zusammen, dass die Energieproduktion in Japan genauso zentralisiert ist wie die Macht.

Im Denken der liberaldemokratischen Partei LDP, die bis 2009 ein Machtmonopol hatte, gab es keine dezentrale Energieproduktion in kleinen, alternativen Kraftwerken.

Den Atomkonzernen kam zudem ein spezielles Verhältnis einiger japanischer Wirtschaftszweige zur Politik zugute: Hohe Beamte können damit rechnen, nach ihrer Pensionierung von Firmen, die sie zuvor überwacht haben, hochbezahlte Berater-Jobs zu erhalten. "Amakudari" heißt diese institutionelle Korruption, "vom Himmel gestiegen". Doch anders als die parastaatliche Kernenergie können die von der Privatwirtschaft entwickelten Alternativ-Energien kaum Amakudari-Jobs anbieten. Deshalb sind ihre Konzepte für Beamte unattraktiv. Bei Windenergie hinkt das windreiche Japan sogar den USA hinterher. Weltweit wird derzeit zwei Prozent des Stroms aus Wind gewonnen, in Japan nur 0,4 Prozent. Dabei war Mitsubishi einer der ersten Herstellern von Windturbinen.

Elektronik-Konzerne wie Sharp, Hitachi und Sanyo waren Sonnenenergie-Pioniere. 1980 hatten die Japaner auf ihren Wohnhäusern 2,8 Millionen Quadratmeter solarthermale Kollektoren installiert. 2005 war es nur noch ein Zehntel davon. Das Tokioter Institut für nachhaltige Energiepolitik spricht von einem "Politik-Desaster": Mit einer Deregulierung hat die Regierung einen Preiskampf angezettelt, der es Stromkonzernen erlaubte, die Sonnenkollektoren zu verdrängen. Japanische Hersteller verkauften ihre Kollektoren deshalb lange im Ausland, nicht im Inland. Das ändert sich erst jetzt.

In Japan gibt es mehr als 3000 Talsperren. Sie wurden zum Schutz gegen Überschwemmungen oder als Trinkwasser-Resererve gebaut. Dass sich die LDP mit diesen Bauaufträgen auch die Unterstützung der lokalen Bauindustrie sicherte, ist kein Geheimnis. Nur ein Bruchteil der Talsperren dient der Stromgewinnung. Dabei böten sie sich für Kleinkraftwerke geradezu an; sie sind ja schon gebaut.

Die wichtigste ungenutzte Energiequelle Japans ist die Erdwärme. In Japan gibt es mehr als 100 aktive Vulkane; und mehr als 10000 Onsen, wie heiße Quellen hier heißen. Die nie versiegende Wärme der Vulkane lässt sich auch zur Stromgewinnung nutzen: Ein Geothermie-Kraftwerk produziert Dampf, der Turbinen antreibt - genau wie in konventionellen Kraftwerken. Vorgeschlagen wurde der Ausbau der Geothermie schon nach der ersten Ölkrise 1973. Bis 1999 entstanden 19 solche Kraftwerke, dann war Schluss. Eine Begründung lautete, Strom aus Erdwärme-Kraftwerken sei doppelt so teuer wie jener aus Atomkraftwerken. Dabei hatte man die Kosten für die Entsorgung radioaktiver Abfälle nicht berücksichtigt - die geschätzt mehr als 100 Milliarden Euro, welche die Ruine Fukushima nun kosten wird, schon gar nicht.

Schuld am Untergang der Geothermie, dieser sauberen Energie, habe die Regierung, sagte Professor Hiroaki Niitsuma von der Tohoku-Universitäts vor zwei Jahren. Sie habe sich nie um Geothermie gekümmert. Dabei wären auch geothermische Kleinkraftwerke für einzelne Dörfer denkbar.

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SZ vom 04.04.2011/bön
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