Atomkonflikt:Spur der Zerstörung

Atomkonflikt: So sieht es aus, wenn eine Wasserstoffbombe explodiert. Am 1. November 1952 zündeten die USA auf einem Atoll der Marshall-Inseln erstmals eine solche Waffe.

So sieht es aus, wenn eine Wasserstoffbombe explodiert. Am 1. November 1952 zündeten die USA auf einem Atoll der Marshall-Inseln erstmals eine solche Waffe.

(Foto: AFP)

Schon Mitte des 20. Jahrhunderts zeigte sich die destruktive Kraft der Wasserstoffbombe. Kann Pjöngjang solche Tests überhaupt kontrollieren?

Von Christoph Neidhart, Tokio

Kim Jong-un könnte im Pazifik eine Wasserstoffbombe testen lassen, "die stärkste, die je gezündet wurde", hatte Nordkoreas Außenminister Ri Yong-go am Donnerstag in New York gewarnt. Er beantwortete damit die Frage, was Kim gemeint habe, als er sagte, Pjöngjang werde Donald Trumps Drohung "auf höchster Ebene mit historisch harten Gegenmaßnahmen vergelten".

Trump hatte vor der UN-Vollversammlung gesagt, die USA hätten "keine andere Wahl, als Nordkorea völlig zu zerstören", wenn das Land ihre Sicherheit gefährde. Trump hatte Kim in seiner Rede als "Raketenmann auf Selbstmord-Mission" beschimpft, Kim nannte Trump später einen "verängstigt bellenden Hund". Außenminister Ri schränkte freilich ein, er wisse nicht, was Nordkorea tun werde, das liege alleine an Kim. Die H-Bombe im Pazifik nannte er als mögliches Beispiel.

Die USA, Frankreich und Großbritannien, die viele Atomtests im Pazifik zündeten, taten das auf Atollen oder Inseln, die sie kontrollierten. Die USA auf dem Bikini-Atoll, Großbritannien auf Kiritimati, Frankreich auf dem Mururoa-Atoll. Nordkorea verfügt über kein solches Territorium, es müsste sich mit einem alten Schiff behelfen. "Wir können auch nicht ausschließen, dass sie diese Bombe mit einer Rakete schießen, die über unser Land fliegen würde", warnte Japans Verteidigungsminister Itsunori Onodera.

Fast die Hälfte aller Atomtests geht auf das Konto der Amerikaner

Atomtests sind bedrohlich, weil mit ihnen Waffen entwickelt werden, deren Einsatz das Ende der Menschheit bedeuten könnte. Das gilt vor allem für Thermonuklearbomben, wie H-Bomben technisch genannt werden. Sie bestehen aus zwei Kernsprengsätzen: einem ersten, der wie eine ältere Atombombe die Kerne von Atomen, Uran oder Plutonium in einer Kettenreaktion zur Spaltung bringt. Und so den zweiten Sprengsatz zündet, in dem Wasserstoffkerne verschmelzen. Die Sprengkraft der H-Bombe kann das hundert- oder tausendfache der Bomben von Hiroshima und Nagasaki erreichen.

Atomtests, vor allem überirdische, sind aber auch bedrohlich, weil sie massiv die Umwelt verseuchen. Messungen des japanischen Ozeanologen Michio Aoyama ergaben, dass trotz großer Mengen Radioaktivität, die Wind und Abwässer nach der Katastrophe von Fukushima in den Pazifik trugen, noch immer drei Viertel der Strahlenbelastung im Ozean von den Atomtests der USA, Englands und Frankreichs stammen.

Washington hat zwischen 1945 und 1992 mehr als tausend Tests durchgeführt, fast die Hälfte aller Atomtests überhaupt, viele davon im Pazifik. Die Sowjets zündeten etwa 720, Frankreich 217, Großbritannien 88, China 47, Pakistan 3 und Indien 2. Mit sechs Atomexplosionen gehen nur 3 Promille aller Atomtests auf das Konto Pjöngjangs. Misst man die Sprengkraft, sind es sogar nur 0,25 Promille. Doch Nordkorea kommt zu spät. Schon 1963 einigten sich die Großmächte auf ein Verbot oberirdischer Tests. Ein zweiter Vertrag von 1996 verbietet jegliche Atomtests. Er ist bis heute nicht in Kraft getreten, weil unter anderem die USA, China, Iran und Israel ihn zwar unterzeichnet, aber nicht ratifiziert haben.

Schon "Castle Bravo", der erste H-Bombentest der Amerikaner im Jahr 1954, verlief nicht nach Plan. 23 japanische Fischer auf dem Kutter Daigo Fukuryu Maru und die Bewohner zweier Atolle erkrankten an akuter Strahlenkrankheit. Die Atmosphäre wurde so stark kontaminiert, dass die Strahlung auf der ganzen Welt registriert wurde. Damit stellt sich die Frage: Wäre Nordkorea überhaupt in der Lage, einen solchen Test zu kontrollieren?

Pjöngjangs Atomprogramm geht auf das Jahr 1962 zurück. Damals bat Kim Il-sung, der Großvater des heutigen Kim, Moskau um Hilfe. Die Sowjets lehnten ab. Nordkorea nahm, wie Südkorea heimlich auch, ein eigenes Programm in Angriff. Kim Jong-il, Vater des heutigen Kim, sah darin eine mögliche Verhandlungsmasse. Sein Sohn jedoch hält Atombomben für die billigste Lebensversicherung seines Regimes. Nach der Logik des Kalten Krieges sieht er im gegenseitigen Zerstörungspotenzial eine Garantie, dass die USA Nordkorea nicht angreifen.

Der Japaner Hitoshi Tanaka, ein pensionierter Diplomat, der selber schon mit Nordkorea verhandelt hat, hält das für ein fatales Missverständnis: "Die Nordkoreaner meinen, wenn sie zeigen, dass sie die USA treffen könnten, vor allem das Festland, dann sei das die beste Abschreckung. Sie verstehen nicht, dass die USA nur dann entschieden reagieren, wenn sie direkt bedroht werden. Wie durch 9/11 und Pearl Harbor", Japans Überfall auf die US-Pazifikflotte 1941. Kim spiele mit seinen Drohungen mit dem Feuer. "Denn die Amerikaner verstehen nicht, wie heikel der Umgang mit Nordkorea ist. Korea sah sich in seiner Geschichte ständig von größeren Mächte drangsaliert: von Russland, China, Japan." Der Norden reagiere deshalb auf Druck mit einer störrischen Wut.

1941 verschärfte Washington seinen Druck auf Tokio, unter anderem mit einem Ölembargo. In Tokio überschätzte eine isolierte Regierung ihre militärische Macht maßlos. Zwar ahnten viele Minister, dass Japan einen Krieg gegen die USA nur verlieren könnte, doch niemand sprach dies offen aus. Im Dezember 1941 überfiel Japan Pearl Harbor, 1944 und 1945 zerstörten die USA fast alle größeren Städte Japans, Hiroshima und Nagasaki mit Atombomben. Nun verkeilt sich Nordkorea in einer ähnlichen Position wie Japan damals.

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