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Atomkonflikt:Israel setzt Obama unter Druck

Wenn Obama im September vor die UN-Vollversammlung tritt, soll er Iran öffentlich mit einem Militärschlag drohen. Dies fordert einem Zeitungsbericht zufolge Israels Regierung. Dass er sich dem Druck beugt, ist nicht ausgeschlossen. Im Wahlkampf kann er sich keine Schwäche erlauben. Dabei ist der militärische Kurs selbst in Israel umstritten.

Die israelische Regierung erhöht im Atomstreit mit Iran offenbar weiter den Druck auf Barack Obama. Die angesehene Abendzeitung Ma'ariv berichtet von einem Ultimatum an Washington. Demnach hat die Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu den US-Präsidenten aufgefordert, bis zum 25. September öffentlich zu erklären, notfalls militärisch gegen das iranische Atomprogramm vorzugehen. An diesem Tag beginnt in New York die Vollversammlung der Vereinten Nationen, bei der auch Obama reden wird. Tags darauf begehen Juden in aller Welt den hohen Feiertag Jom Kippur.

Schon seit Tagen gibt es Gerüchte, dass Israel die iranischen Atomanlagen noch vor den US-Präsidentschaftswahlen am 6. November angreifen könnte. Verschiedene israelische Medien hatten übereinstimmend berichtet, Netanjahu und sein Verteidigungsminister Ehud Barak seien fest entschlossen, eine mögliche nukleare Aufrüstung Irans noch im Herbst durch einen Militärschlag zu stoppen. Allerdings ist unklar, ob die Indiskretionen nicht diskret von der Regierung verbreitet werden, um den Druck auf die USA zu erhöhen.

Netanjahu spielt die Romney-Karte

Bislang hat die US-Regierung eine "militärische Komponente" zwar nicht ausgeschlossen, aber stets als "letzte Möglichkeit" beschrieben. Dass Obama sich zu einer deutlicheren Zusage hinreißen lässt, wird immer wahrscheinlicher: Wie Ma'ariv am Montag unter Berufung auf US-Diplomaten berichtet, fürchtet das Obama-Lager, durch das Beharren auf eine diplomatische Lösung außenpolitisch schwach zu wirken und damit wichtige Wählerstimmen an den uneingeschränkt Israel unterstützenden republikanischen Herausforderer Mitt Romney zu verlieren.

Zudem käme dem demokratischen Präsidenten im Wahlkampf ein militärischer Konflikt zwischen Israel und Iran ungelegen, bei dem die USA dem Verbündeten beistehen müssten. Obama hatte am vergangenen Freitag neue Sanktionen gegen Teheran in Kraft gesetzt, die heftige Strafen für Unternehmen mit Handelsbeziehungen zu Irans Öl-, Chemie, Versicherungs- und Finanzbranche vorsehen.

In der Wochenendausgabe der liberalen Zeitung Haaretz erhöhte ein ungenannter "Entscheidungsträger" nochmals den Druck auf die USA. Bei der anonym zitierten Quelle handelt es sich nach Ansicht der meisten Beobachter um Verteidigungsminister Barak. Der "Entscheidungsträger" warnt nochmals davor, dass das iranische Atomprogramm kurz davor sei, "die Immunitätszone zu erreichen". In diesem Fall würde Teheran seine Atomanlagen in tieferen Bunkern versenken und damit israelische Luftangriffe womöglich wirkungslos machen.

Militärs zweifeln am Sinn des Angriffs

Allerdings ist der Kurs der beiden wichtigsten Politiker des Landes umstritten: Wie Haaretz berichtet, stellen sich Militärführung und Geheimdienste derzeit gegen einen Angriff. Unter anderem ist unklar, ob die israelische Zivilbevölkerung bei den zwangsläufig folgenden Raketenangriffen aus Iran und durch die Hisbollah im Libanon ausreichend geschützt wäre. Zudem rechnen Experten damit, dass ein Militärschlag das Atomprogramm zwar um bis zu vier Jahre verzögern, aber nicht beenden könnte.

Die israelischen Behörden haben in den vergangenen Wochen bereits Gasmasken verteilt und ein SMS-Frühwarnsystem getestet, das vor Raketen der Hisbollah warnen soll. Am Dienstag gab Netanjahu bekannt, seinen Vertrauten Avi Dichter zum neuen Heimatschutzminister zu machen. Der frühere Chef des israelischen Inlandsgeheimdienstes Schin Bet gilt als starker Befürworter eines israelischen Militärschlags gegen Iran.

Teheran hatte in der Vergangenheit immer wieder erklärt, das Atomprogramm nur zu zivilen Zwecken zu nutzen. Gutachten der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA bezweifeln diese Darstellung allerdings. Die Gespräche über einen Verzicht auf die Anreicherung waffenfähigen Urans liegen seit Juni auf Eis, seit Juli gelten neue Finanzsanktionen und ein Ölembargo der EU.

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