Atomgipfel im Kanzleramt:Zähes Ringen um Atomausstieg

Nach heftigem Streit beraten Union und FDP im Kanzleramt seit Stunden über den Atomausstieg. Nach SZ-Informationen verdichten sich die Hinweise, dass die Koalition der Empfehlung der Ethikkommission für das Jahr 2021 folgen könnte, womöglich mit einem Jahr Puffer - und der Option von Standby-Reaktoren. SPD und Grüne sind nicht begeistert.

Deutschland kann nach Auffassung der Ethik-Kommission zur Atomkraft bis 2021 alle Kernreaktoren stilllegen. Das geht aus dem Abschlussbericht hervor, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Innerhalb der Koalition ist allerdings neuer Streit über den Ausstiegstermin entbrannt.

Protest gegen Atomkraft vorm Kanzleramt

Im Bundeskanzleramt streitet die Koalition seit Stunden über ein Datum für den Ausstieg. An der Fassade haben derweil Atomkraftgegner mit einem Plakat ihrem Ärger Luft gemacht.

(Foto: dapd)

Die Verhandlungen der Koalition dauerten am späten Sonntagabend noch an. Zwar verdichteten sich nach Informationen der Süddeutschen Zeitung die Hinweise, dass sie den Empfehlungen der Ethik-Kommission folgen könnte, womöglich auch mit einem Puffer von einem Jahr. Der endgültige Ausstieg könnte dann zwischen 2021 und 2022 erfolgen. Bislang ist allerdings nichts entschieden.

Als so gut wie sicher galt, dass die sieben ältesten Meiler und das AKW Krümmel abgeschaltet bleiben werden. An der umstrittenen Brennelementesteuer wolle der Bund festhalten, hieß es in Koalitionskreisen. Mehrere Nachrichtenagenturen melden zudem übereinstimmend, Union und FDP hätten sich darauf geeinigt, nach dem angestrebten Atomausstieg mehrere Kernkraftwerke für eine Übergangszeit als Reserve betriebsbereit zu halten. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hatte gefordert, dass nach dem Atomausstieg ein bis zwei Kernkraftwerke im Standby-Betrieb beibehalten werden sollten.

Am späten Sonntagabend trafen auch die Spitzen von SPD und Grünen im Kanzleramt ein, um über die schwarz-gelben Pläne informiert zu werden. Die schwarz-gelbe Koalition bewege sich auf einen Atomausstieg nach den Empfehlungen der Ethikkommission zu, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel nach dem Informationsgespräch der Opposition bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Allerdings tue sich die Regierungskoalition außerordentlich schwer, den Ausstieg endgültig festzulegen. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte: "Die Hintertüren sind noch nicht zu."

Beide kritisierten die Berichte über die Pläne der Koalition für das Vorhalten mehrerer Atomkraftwerke als "kalte Reserve". Es sei wenig sinnvoll, ausgerechnet Atomkraftwerke als Standby-Reserve in Bereitschaft zu halten, sagte Gabriel.

"Unser Koalitionspartner tritt auf die Bremse"

Union und FDP hatten bis zuletzt gestritten, ob es ein endgültiges Datum oder einen Korridor geben soll. Vor dem Atom-Koalitionsgipfel im Kanzleramt hatte sich in der Union Ärger über die FDP Bahn gebrochen. Die CDU-Fraktionschefs aus den Bundesländern kritisierten die Liberalen. In einer internen Besprechung sei thematisiert worden, "dass unser Koalitionspartner, der gar nicht schnell genug aussteigen konnte, nun auf die Bremse tritt", sagte etwa Sprecher Wagner aus Hessen. "Dies ist als Vorgang zumindest bemerkenswert."

Die von Merkel eingesetzte Ethik-Kommission hatte zuvor ein Ende der Atomkraftnutzung bis spätestens 2021 gefordert. "Die Ethik-Kommission ist der festen Überzeugung, dass der Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie innerhalb eines Jahrzehnts abgeschlossen werden kann", heißt es in dem 49-seitigen Schlussbericht. "Dieses Ziel und die notwendigen Maßnahmen sollte sich die Gesellschaft verbindlich vornehmen." Die Leistung der sieben ältesten Kernkraftwerke sowie des Pannenreaktors Krümmel sei bereits jetzt verzichtbar. Sie könnten demnach sofort abgeschaltet werden.

Das 17-köpfige Gremium empfiehlt zudem die Einrichtung eines "Parlamentarischen Beauftragten für die Energiewende". Er soll regelmäßig überprüfen, ob der Umbau der Energieversorgung hin zu erneuerbaren Energien und einem effizienteren Umgang mit Wärme und Strom nach Plan läuft. Daran soll sich auch die Abschaltung der neun verbleibenden Atommeiler orientieren - allerspätestens allerdings bis 2021. "Im besten Fall kann der vorgenannte Zeitraum des Ausstiegs von zehn Jahren verkürzt werden", beschloss die Kommission. An diesem Montag soll der Bericht offiziell der Bundesregierung übergeben werden.

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