Süddeutsche Zeitung

Atomgespräche mit Iran:Beinhart in Bagdad

Iran verhandelt mit den UN-Vetomächten sowie Deutschland in Bagdad über sein Atomprogramm - und bewegt sich inhaltlich keinen Millimeter. Teheran wird jedoch einsehen müssen, dass es in Vorleistung gehen muss. Sonst ist ein Krieg mit Israel kaum noch abzuwenden.

Paul-Anton Krüger

Geduld und Hartnäckigkeit sind Tugenden, ohne die Diplomaten kaum etwas erreichen können. Im Atomstreit mit Iran freilich gilt ebenso die Maxime, die Catherine Ashton, Verhandlungsführerin der fünf UN-Vetomächte und Deutschlands, bei einem Treffen mit den Emissären aus Teheran bereits Mitte April ausgegeben hat: "Die Zeit drängt!"

Gemessen daran fällt es schwer, die jetzige Gesprächsrunde in Bagdad als Erfolg zu sehen - auch wenn westliche Unterhändler betonen, ein Durchbruch sei nicht zu erwarten gewesen und man habe erstmals überhaupt mit den Iranern detailliert über strittige Fragen diskutiert. Die Sprachregelung lautet, man habe genügend Gemeinsamkeiten festgestellt, um sich erneut zu treffen und zu reden. Ein Termin in Moskau ist aber das Einzige, worauf sich die beiden Seiten einigen konnten.

Tatsächlich hat sich Iran inhaltlich keinen Millimeter bewegt. Zu Hause aber schafft das Regime zu gleicher Zeit Fakten und baut seine Urananreicherung ungehindert aus. Die Führung in Teheran weiß genau, dass den westlichen Staaten schon fast verzweifelt daran gelegen ist, den Dialog nicht abreißen zu lassen. Niemand hat ein Interesse daran, dass die Golfregion noch tiefer in die Krise schlittert. Das gilt nicht zuletzt für die US-Regierung.

Ein Preisschock beim Öl würde die ohnehin schwierige Wirtschaftsentwicklung in Europa und den USA massiv beeinträchtigen - und damit die Chancen von Präsident Barack Obama auf eine Wiederwahl. Ein neuer Krieg im Nahen Osten gar würde noch weit größere Risiken bergen. Niemand kann garantieren, dass die Ereignisse sich dann noch unter Kontrolle halten lassen.

Bislang sind die Gespräche aber allenfalls ein Versuch, die Krise zu managen, nicht den Atomkonflikt zu lösen. Diese Hängepartie kann sich nicht bis November hinziehen, wenn in Washington klar ist, ob Obama eine zweite Amtszeit bekommt oder Mitt Romney in das Weiße Haus einzieht. Bis dahin wird Iran genug Uran auf 20 Prozent angereichert haben, um Ausgangsstoff für eine Atombombe zu haben.

Es ist schwer vorstellbar, dass Israel das hinnehmen wird. Gespräche um der Gespräche willen haben keinen Sinn, wenn das Regime in Teheran nicht bereit ist zu akzeptieren, dass es in Vorleistung gehen muss. Es sind nicht Amerika oder Europa, die jeden Tag UN-Resolutionen und Beschlüsse der Internationalen Atomenergiebehörde missachten, es ist Iran. Teheran fordert Rechte, ohne sich an seine Pflichten zu halten.

Es wäre dennoch voreilig und gefährlich, den Gesprächsprozess für gescheitert zu erklären. Den Europäern bleibt nichts, als das Ölembargo und die Finanzsanktionen wie geplant in Kraft zu setzen und sich auf weitere Schritte vorzubereiten, auch im UN-Sicherheitsrat. Es wird an Russland und China liegen, dessen Glaubwürdigkeit zu erhalten. Wenn dort keine Geschlossenheit gegen die iranische Erpressungstaktik zu erzielen ist, wird ein Krieg wahrscheinlicher.

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SZ vom 25.05.2012/mkoh
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