Atomgespräche mit Iran:Außenminister kämpfen um Interimsabkommen

US Secretary of State Kerry arrives in Geneva

Außenminister Guido Westerwelle am Genfer Flughafen: Zusammen mit den Außenministern der UN-Vetomächte will er das Interimsabkommen mit Iran vorantreiben.

(Foto: dpa)

Sie sind da, weil es schwierig wird: In Genf sind die Außenminister der UN-Vetomächte und Deutschland eingetroffen. Es geht um ein Interimsabkommen, das Zeit und Vertrauen für die Atomgespräche mit Iran schaffen soll. Doch die Verhandlungen stocken.

Von Paul-Anton Krüger, Genf

Zum zweiten Mal binnen zwei Wochen sind die Außenminister der UN-Vetomächte und Deutschlands nach Genf gereist, um in den Atomgesprächen mit Iran eine Einigung zu erzielen. Am Morgen war der amerikanische Ressortchef John Kerry eingetroffen, ebenso wie seine Kollegen aus Paris und London, Laurent Fabius und William Hague, und der amtierende deutsche Außenamtschef Guido Westerwelle. Sergej Lawrow war bereits am Vorabend nach Genf geflogen. Als letzter traf am Nachmittag der chinesische Außenminister Wang Yi ein. Das beflügelte Erwartungen, dass diesmal der Abschluss eines Interimsabkommens greifbar nahe ist - hatten Diplomaten vor Beginn der Gespräche doch gesagt, die Minister würden nur anreisen, wenn es einen unterschriftsreifen Text gebe.

Hague und Westerwelle machten allerdings deutlich, dass dies noch nicht der Fall ist. Es gebe noch keinen Deal, sagte Westerwelle bei seiner Ankunft im Hotel Intercontinental. Eine "Anzahl von Differenzen" müsse noch überbrückt werden. Hague sagte, es gebe "in den gleichen Bereichen Differenzen wie vor zwei Wochen", als trotz der Anwesenheit der Minister und durchverhandelter Nächte letzlich keine Einigung zustande gekommen war.

Gewinn von Zeit und Vertrauen durch Interimsabkommen

Das angestrebte Interimsabkommen soll in einem ersten Schritt das iranische Nuklearprogramm für sechs Monate auf dem derzeitigen Stand einfrieren. Dafür würde Iran begrenzte Erleichterungen bei den Sanktionen erhalten, die der Wirtschaft des Landes schwer zu schaffen machen. Dadurch sollen Zeit und Vertrauen geschaffen werden, um in einem zweiten Schritt ein umfassendes Abkommen auszuhandeln, das den Endstatus des iranischen Atomprogramms festschreiben würde. Iran müsste dabei enge Grenzen für seine Nuklearindustrie sowie eine präzedenzlose Überwachung akzeptieren, im Gegenzug würden die Sanktionen im Zusammenhang mit dem Atomprogramm komplett aufgehoben.

Die Politischen Direktoren in den Außenministerien der als P5+1 bezeichneten Gruppe der fünf ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat sowie Deutschlands verhandeln bereits seit Mittwoch mit der von Außenminister Mohammed Dschawad Sarif angeführten iranischen Delegation über den ersten Schritt. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton ist dabei als Verhandlungsführerin der P5+1 Sarifs Gesprächspartnerin. Während sich die Politischen Direktoren nach jeder Verhandlungsrunde mit ihren Hauptstädten abstimmen müssen, haben nun die Minister als politisch Verantwortliche einen größeren Handlungsspielraum. "Wir sind nicht hier, weil die Dinge notwendigerweise schon fertig sind", sagte Hague. "Wir sind hier, weil die Dinge schwierig sind."

Wichtigster Streitpunkt ist der in Bau befindliche Schwerwasserreaktor in Arak, wie aus Diplomaten in Genf zu erkennen geben. Sollte er in Betrieb gehen, würde er Plutonium produzieren und Iran damit potenziell neben der Urananreicherung einen zweiten Weg zum Bau von Atombomben eröffnen. Die westlichen Staaten in der P5+1-Gruppe verlangen deswegen einen Baustopp.

Kritik an Fabius wegen eines Interviews

Frankreichs Außenminister Laurent Fabius hatte dies während der Verhandlungsrunde vor zwei Wochen in einem Interview öffentlich gefordert, obwohl vereinbart war, dass sich die Delegationen nicht zum Stand und Inhalt der Gespräche äußern. Er sah sich daraufhin harscher Kritik aus Iran ausgesetzt, er habe einen Deal torpediert, nachdem zuvor Sarif und Kerry in wesentlichen Punkten bereits eine Annäherung erzielt hatten.

Diskussionsbedarf gibt es laut Diplomaten auch noch beim Umfang der Sanktionserleichterungen. Die USA hatten angeboten, einen Teil der im Ausland eingefrorenen Guthaben Irans freizugeben, die sich auf 100 Millionen Dollar belaufen sollen. US-Regierungsmitglieder hatten bei Anhörungen im Kongress gesagt, es gehe um etwa sechs bis sieben Milliarden Dollar, auf die Iran dann zugreifen könnte. Zudem würden Handelsbeschränkungen für Edelmetalle und petrochemische Produkte ausgesetzt. Wieviel Einnahmen das Iran bringen würde, konnten Diplomaten in Genf nicht beziffern. Iran hat aber für einen Teil seiner Ölexporte in den vergangenen Monaten Gold erhalten, das die Regierung in Teheran dann gegen Devisen auf dem Weltmarkt verkaufen könnte.

Zugeständnisse Irans bei Urananreicherung möglich

Bei anderen kritischen Fragen zeichneten sich dagegen mögliche Lösungen ab: So würde Iran dem Vernehmen nach Zugeständnisse bei seinen Uranvorräten und der Anreicherung akzeptieren, auch wenn Sarif in öffentlichen Äußerungen immer wieder darauf beharrt, dass die P5+1 anerkennen müssten, dass Iran ein Recht auf Urananreicherung habe. Dem könnte aber mit einer Formulierung Rechnung getragen werden, die das Recht aller Staaten auf die zivile Nutzung der Atomenergie bekräftigt, ohne die Urananreicherung explizit zu erwähnen.

Irans Außenminister Sarif sprach am Vormittag davon, dass sich die Verhandlungen "in einer sehr schwierigen Phase" befänden. Westliche Diplomaten sagten, es wäre keine Katastrophe, wenn erneut keine Einigung erzielt werden könne. Allerdings lasse es sich "nicht alle zwei Wochen wiederholen, dass die Außenminister eingeflogen werden".

Der Druck, zu einer Einigung zu kommen, sei jetzt enorm. Trotz der Anwesenheit der Ressortchefs müssten sich aber manche Delegationen mit ihren Hauptstädten rückkoppeln. Vor allem in Teheran und in Washington ist der innenpolitische Widerstand gegen eine Übereinkuft groß. Diplomaten rechnen deswegen mit langwierigen Verhandlungen bis in die Nacht, auch eine Fortsetzung der Gespräche am Sonntag ist nicht ausgeschlossen.

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