Süddeutsche Zeitung

Energiesicherheit:Habecks Atompläne entzweien Koalition

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Das Vorhaben, zwei Meiler in den Reservebetrieb zu versetzen, stößt auf Widerstand bei der FDP. Oppositionsführer Merz spricht von "Irrsinn". Die grüne Basis reagiert dagegen positiv.

Von Michael Bauchmüller und Constanze von Bullion, Berlin

Die Pläne von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, zwei Atomkraftwerke von 2023 an in den Reservebetrieb zu versetzen und nur im Notfall wieder zu aktivieren, haben eine scharfe Kontroverse ausgelöst. In der Koalition bringt sie die FDP gegen Grüne und SPD auf, aber auch Atomkraftbetreiber und Opposition gegen die Regierung.

CDU-Chef Friedrich Merz kritisierte Habecks Vorstoß als unverantwortlich. "Deutschland steuert auf eine massive Energieversorgungskrise zu, ausgelöst durch den Krieg in der Ukraine, verschärft durch völlig absurde Entscheidungen dieser Bundesregierung", sagte er im Deutschlandfunk. Der Wirtschaftsminister sei umgeben "von harten, grünen Ideologen, die - koste es, was es wolle - aus den fossilen Energien und aus der Atomenergie aussteigen wollen", sagte Merz. Er appelliere, diesen "Irrsinn" zu beenden.

Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, wies den "populistischen Krawallkurs" von Merz zurück. "Es gibt eine historische Konstante in diesem Land: Die Union lag bei der Energiepolitik durchweg falsch", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Die Atomkraft sei "kein Wundermittel, das unsere energiepolitischen Herausforderungen wegzaubert".

Sollten im Winter konkrete Stromengpässe drohen, will Wirtschaftsminister Habeck zwei der drei verbliebenen deutschen Kernkraftwerke noch bis Mitte April 2023 weiterlaufen lassen: Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim in Baden-Württemberg. Eigentlich sollen sie Ende Dezember vom Netz gehen. Bundeskanzler Olaf Scholz unterstützt Habeck. Es bleibe grundsätzlich beim Ausstieg aus der Atomenergie, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Für diesen Winter ermögliche es die Regierung jedoch, dass zwei Meiler einige Monate länger liefen. Es gehe um die Energieversorgung im Winter, "da wird die Regierung sehr einvernehmlich handeln".

FDP-Chef Christian Lindner hatte hingegen den Weiterbetrieb von drei Atomkraftwerken bis 2024 gefordert. "Ich habe Zweifel, ob wir klug beraten sind, auf Kapazitäten in der Energieversorgung zu verzichten. Zumal dann, wenn sie klimafreundlich sind", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Aber Habeck sei der Fachminister. "Er muss das verantworten." Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte, das Wirtschaftsministerium wirke "eindeutig überfordert".

Die Grünen-Vorsitzenden werben an der Parteibasis nun für Habecks Vorschlag. Die ersten Reaktionen seien überwiegend positiv, hieß es. Das Vorhaben sei eine "Zumutung, aber gerade notwendig", sagte Parteichef Omid Nouripour im ZDF-"Morgenmagazin". Dass die FDP sich bei der Abstimmung im Bundestag tatsächlich gegen den AKW-Reservebetrieb stellt, also gegen Kanzler und Wirtschaftsminister, halten die Grünen für unwahrscheinlich. Käme es zu keiner Einigung, bliebe es beim gesetzlich festgelegten Atomausstieg Ende 2022.

Unmut gibt es aber auch bei den Betreibern der Atomkraftwerke. "So geht das nicht", hieß es am Dienstag in Branchenkreisen. Weltweit gebe es kein einziges Atomkraftwerk, das in Reserve gehalten werde. Stillstehende Atomkraftwerke brauchen mehrere Tage, bis sie Strom liefern können. Kurzfristig können sie damit keine Engpässe beheben. Allerdings hatte Habeck auch betont, auf die Reserve nur zurückgreifen zu wollen, wenn sich Engpässe langfristig abzeichnen - etwa weil sich der Ausfall französischer Atomkraftwerke länger hinziehe als geplant.

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