Atomendlager Gorleben:Kohls Minister schönten Gutachten

Neue Dokumente belegen: Die Regierung Kohl hat Forscher massiv beeinflusst, die Risiken des Atomendlagers Gorleben zu vertuschen.

Michael Bauchmüller und Wolfgang Roth

Neue Dokumente belegen, dass die Regierung Kohl im Jahr 1983 massiv Einfluss auf die Wissenschaftler ausübte, die eine Eignung des Standorts Gorleben für ein atomares Endlager prüfen sollten.

Kohl, Atommüll, ddp, dpa

Helmut Kohl bei seiner Vereidigung zum Kanzler im März 1983. Kurze Zeit später übte seine Regierung massiven Druck auf Wissenschaftler aus, die den Standort Gorleben als atomares Endlager prüfen sollten.

(Foto: Foto: AP, dpa)

Nach einem Schriftverkehr, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, drängten die Ministerien für Forschung und für Inneres, damals unter den Ministern Heinz Riesenhuber (CDU) und Friedrich Zimmermann (CSU), die zuständige Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), ein maßgebliches Gutachten in wichtigen Passagen umzuschreiben. Das geht aus einem Fernschreiben hervor, das das Forschungsministerium am 13. Mai 1983 an die Fachbehörde sandte.

Damals war ein wegweisender Bericht in der Schlussphase. Er sollte die bisherigen Ergebnisse zu Gorleben zusammentragen und letztlich klären, ob der Salzstock auch unter Tage erkundet werden soll.

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, aus der später das Bundesamt für Strahlenschutz hervorging, zeichnete für den Bericht verantwortlich. Doch die beiden Ministerien hatten über die Zukunft Gorlebens offenbar schon entschieden. So solle der Bericht mit einem Kapitel "wesentliche Ergebnisse der Standorterkundung" beginnen, empfahl das Forschungsministerium - "in Abstimmung mit dem BMI", dem Bundesinnenministerium.

Und weiter: "Dieser Abschnitt sollte sinngemäß mit der Feststellung schließen", dass "die Eignungshöffigkeit des Salzstockes Gorleben für die Errichtung eines Endlagers substantiell untermauert" werde, heißt es in dem Telex. Die "Eignungshöffigkeit" ist ein bergmännischer Begriff. Er drückt aus, dass die Einlagerung in dem Bergwerk voraussichtlich möglich ist.

Auch für einen weiteren Abschnitt, der sich stärker offenen Fragen zuwenden sollte, wusste das Ministerium Rat: "Es ist zu prüfen, ob dieser Abschnitt mit der Aussage schließen kann, dass nach Einschätzung der Fachleute die noch zu erzielenden Ergebnisse und abzuleitenden Aussagen die Eignungshöffigkeit des Salzstocks voraussichtlich nicht in Frage stellen können". Sprich: Das positive Ergebnis der Untersuchungen sollte schon vorweggenommen werden.

Auch für den letzten, zusammenfassenden Teil gibt es einen Vorschlag: Dass nämlich "berechtigte Hoffnung besteht, dass im Salzstock Gorleben ein Endlager für alle Arten von radioaktiven Abfällen" eingerichtet werden könne. Im Übrigen bittet das Ministerium, den "vermutlich hypothetischen Störfall des Wasser- und Laugenzutritts (...), der an mehreren Stellen die am 11.05.1983 diskutierte Zusammenfassung und Bewertung bestimmt, etwas weiter vom Zentrum der Betrachtung wegzurücken" - mit anderen Worten: herunterzuspielen. So geschah es dann auch. Die Gefahr, dass Radioaktivität ins Grundwasser gelangen könnte, spielt in dem Bericht keine große Rolle mehr.

Damit gibt es erstmals einen Beleg für die Einflussnahme der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung auf die Vorbereitungen zu Gorleben. Erst vor kurzem waren zwei Fassungen des Berichts aufgetaucht. Die frühere der beiden geht dabei deutlich kritischer mit Gorleben um als die spätere. Helmut Röthemeyer, damals Abteilungsleiter in der PTB, hatte schon im Frühjahr in einem Zeitungsinterview geklagt, die Behörde habe seinerzeit unter massivem Druck der Politik gestanden.

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