Die Grünen wollen auf einem Sonderparteitag am 25. Juni in Berlin ihre Haltung zu den Atomplänen der Bundesregierung klären. Das teilte Parteichefin Claudia Roth nach Sitzungen von Parteivorstand und Parteirat mit - signalisierte aber zugleich Kompromissbereitschaft: "Es gibt eine Chance auf einen Energiekonsens." Die Grünen würden jedoch "haarklein überprüfen, was die einzelnen Gesetze beinhalte"". Es werde "kein schnelles Ja" und auch "kein einfaches Nein" geben. Der Bundestag soll am 30. Juni über die Gesetze zu Energiewende und Atomausstieg entscheiden, am 8. Juli dann der Bundesrat.
Konkret wandten sich die Grünen gegen den von der Regierung geplanten Bau neuer Kohlekraftwerke als Ersatz für die Atomkraft. "Jedes neue Kohlekraftwerk würde das Erreichen der Klimaschutzziele unmöglich machen", warnte Roth. Sie lehnte auch das Vorhaben der Regierung ab, ein älteres Atomkraftwerk noch bis 2013 als Reserve in Bereitschaft zu halten. Die Grünen begrüßten aber, dass die Regierung jedem AKW nun ein festes, spätestmögliches Abschaltdatum zuordnete. Mit Blick auf die Suche nach einem Atommüll-Endlager beschloss der Grünen-Vorstand: "Die einseitige Vorfestlegung auf Gorleben muss aufgehoben werden." Stattdessen solle jetzt bundesweit nach dem bestmöglichen Endlager gesucht werden.
Ähnlich äußerte sich bereits die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast am Morgen in einem Interview mit dem Südwestrundfunk: Die Billigung hänge davon ab, ob mit dem Gesetzespaket eine "ergebnisoffene, vergleichende" Suche nach einem Endlager für Atommüll gewährleistet werde. Außerdem dürfe es beim Ausbau erneuerbarer Energien "keine Deckelung" geben, so Künast. Die Grünen wüssten aber, dass es auch Kompromisse geben und sich "beide Seiten einen Schritt bewegen" müssten. Wichtig sei, dass die Novelle keine "Tricks" enthalte. Die Erfahrung der vergangenen Jahre lehre zudem, dass die Bundesregierung offenbar nicht ein einziges Gesetz vorlegen könne, "das nicht massive handwerkliche Fehler" enthalte.
Die Anti-Atomkraft-Bewegung macht bereits deutlich, dass sie von den Grünen eine ablehnende Haltung erwartet: In einem offenen Brief forderte die Organisation ausgestrahlt e. V. die Parteispitze auf, gegen den Gesetzentwurf zu stimmen. Der geplante Ausstieg bis 2022 öffne Tür und Tor für eine spätere Revision der Beschlüsse, die Glaubwürdigkeit der Grünen würde bei einem "Ja" beschädigt. "Wir können und müssen schneller aussteigen, es darf keinen faulen Kompromiss zu Lasten der Sicherheit der Bevölkerung geben", verlangte der Präsident des Umweltverbandes BUND, Hubert Weiger.
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle appellierte hingegen an die Grünen, die Energiewende der Bundesregierung mitzutragen. "Ich fordere die Grünen auf, mit ihrem Eiertanz aufzuhören", sagte Brüderle am Montag in Berlin. Die Partei müsse jetzt aus dem "Schmollwinkel" herauskommen, an einer konsequenten Energiewende mitarbeiten und von einer Dagegen- zu einer Dafür-Partei werden.
Auch CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt legte den Grünen nahe, sich am Atomkonsens zu beteiligen. Sie seien jetzt gefragt, "nicht in eine Fundamentalopposition zu gehen, sondern mitzumachen".
Für die Zustimmung der SPD dürften dagegen keine flammenden Appelle der Regierung nötig sein. Die Sozialdemokraten wollen zumindest das Atom-Ausstiegsgesetz mittragen, ihre Abgeordneten werden aller Voraussicht nach im Bundestag zustimmen. Dies zeichnete sich am Montag vor einer Sondersitzung der SPD-Fraktion in Berlin ab. Auch das Parteipräsidium unterstützt diesen Kurs. Die Ministerpräsidenten der Länder hätten bei ihren Verhandlungen mit der Regierung über einen Energiekonsens "gute Arbeit" geleistet, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Offen ist aber noch, ob die Sozialdemokraten auch die übrigen Gesetze für die Energiewende mittragen wollen.