Atomausstieg: Krach in der Union:Das Gerücht vom Putsch

Die CDU sorgt sich um die FDP und streitet über Röttgens Thesen zum Atomausstieg. Wie aggressiv gekämpft wird, zeigt die Tatsache, dass nun Putschgerüchte gegen Fraktionschef Kauder lanciert werden.

Stefan Braun

Norbert Lammert schweigt meistens. Nicht im Bundestag, da spricht der Parlamentspräsident gerne. Rund um die Sitzungen des CDU-Präsidiums dagegen redet Lammert eher selten. Doch nach einem Wochenende wie diesem, an dem Christdemokraten mit mehreren Themen die Schlagzeilen geprägt haben, kann sich Lammert nicht mehr ganz bremsen. Nein, sagt er, heftigere Debatten habe es am Montag nicht gegeben. Aber richtig sei, dass es "zurzeit zu viele Baustellen gibt, bei denen die Mitglieder in der Koalition mehr die Unterschiede hervorheben als die Gemeinsamkeiten".

Atomausstieg: Krach in der Union: Sie verstehen sich nicht besonders gut: Umweltminister Norbert Röttgen und Unionsfraktionschef Volker Kauder (r.)

Sie verstehen sich nicht besonders gut: Umweltminister Norbert Röttgen und Unionsfraktionschef Volker Kauder (r.)

(Foto: Foto: ddp)

Zu viele Baustellen. Damit ist die Lage der CDU gut beschrieben. Und die größte Baustelle bleibt das Bündnis mit den Liberalen. Dabei ist in der Partei von Kanzlerin Angela Merkel weiterhin die Sorge groß, dass die FDP auch nach ihrer Krisensitzung vom Sonntag nicht gelassener wird, sondern "in Tonlage und Konfliktbereitschaft noch schärfer" werde, wie es ein CDU-Präsidiumsmitglied nach der Sitzung ausdrückt.

Sorge um die FDP

Indiz dafür bleibt für viele in der Parteispitze der Beschluss der Liberalen, nun schon vor der Steuerschätzung im Mai ein eigenes Konzept für die große Steuerreform vorzulegen. Damit, so die Befürchtung eines CDU-Ministerpräsidenten, könnte sich die FDP so sehr "auf den Baum begeben, dass sie hinterher nicht mehr runterkommt, wenn Kompromisse gefunden werden müssen". Wenn das passiere, liefe die FDP Gefahr, bei den Wählern weiteren Kredit zu verspielen - und so die gesamte Koalition in Probleme zu stürzen.

Vor allem letzteres will die CDU verhindern. Deshalb betont sie am Montag, dass sie sich vom verabredeten Zeitplan der Regierung nicht abbringen lassen werde. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe lässt daran keinen Zweifel. "Wir werden wie beschlossen unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und finanziellen Lage im Mai entscheiden", sagte Gröhe am Montag. Dabei äußerte er zugleich die Erwartung, die FDP werde auch Pläne zur Finanzierung liefern. "Ich glaube, dass man der FDP nicht zu nahe tritt, wenn man das erwartet."

Das hört sich noch nicht an wie ein neues großes Einverständnis. Immerhin aber klingen Friedensbemühungen an. Ein Grund dafür ist die Tatsache, dass Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers in der Debatte am Wochenende nochmal Öl ins Feuer goss. Gröhe beschwichtigte nun, mit der Erklärung, er werde Steuersenkungen im Zweifel im Bundesrat ablehnen, habe Rüttgers nur "etwas zugespitzt" klarmachen wollen, dass man die Finanzlage der Kommunen nicht außer Acht lassen dürfe. Rüttgers" Provokation, so seine Botschaft, soll keine weiteren Wunden schlagen.

Von Wunden haben sie ohnehin genug, selbst in den eigenen Reihen. Dass Bundesumweltminister Norbert Röttgen am Samstag in der SZ für einen möglichst schnellen Ausstieg aus der Atomenergie plädiert hat, löste auch am Montag noch Schockwellen in die Partei hinein aus. Dabei streiten sich die verschiedenen Lager vehement.

Putschgerüchte gegen Fraktionschef Kauder

Die einen empfinden Röttgens Äußerungen als Provokation, Kritiker wie Philipp Mißfelder und Fraktionsvize Michael Kretschmer klagen, er gebe sich Stimmungen in der Bevölkerung hin, statt zu kämpfen. Andere verteidigen ihn, weil sie den Kurs im Grundsatz für richtig halten. Und dazwischen steht die Kanzlerin, die Röttgens Drängen als Umweltminister verteidigt und gleichzeitig daran erinnert, dass über die Länge der Laufzeiten im Lichte des Energie-Gesamtkonzepts im Herbst entschieden werde.

Trotz Merkels ausgleichenden Worten hat es im Präsidium eine heftige Debatte gegeben. Wie gereizt das Klima ist, zeigt die Tatsache, dass am Montag zudem Gerüchte gestreut werden, Röttgen habe im Bündnis mit Rüttgers versucht, Fraktionschef Kauder zu stürzen. Plötzlich wird Gift gestreut, und das zeigt, wie existentiell der Kampf werden kann in der Unionsspitze. Richtig an derlei Berichten ist, dass es zwischen Kauder und seinem früheren Geschäftsführer Röttgen seit langem Spannungen gibt. In der Atomfrage stehen sie zudem ziemlich unversöhnlich nebeneinander. Putschgerüchte freilich setzen dem eine Krone auf, die das Klima dauerhaft vergiftet. Und sie zeigen, mit welcher Aggressivität sich Konservative und Anhänger schwarz-grüner Optionen noch bekämpfen könnten.

Angesichts dessen ist verständlich, dass Merkel an einer dritten Baustelle die Reißleine gezogen hat: bei der Zukunft der Jobcenter. "Die Baustelle war eine zu viel", sagt ein Merkel-Vertrauter. Das hängt eng mit der Angst vor dem ganz großen Knall zusammen. Schon vor einem Jahr hatte es Krach zwischen den CDU-Ministerpräsidenten und der Fraktion gegeben. Es drohte eine Neuauflage. Dass nun Kauder eine Niederlage einstecken muss, konnte Merkel nicht mehr verhindern. Kauder hatte stets abgelehnt, das Grundgesetz zu ändern. Nun soll es vor allem auf Druck von Roland Koch eine solche Änderung geben. "Wir mussten diese Kuh vom Eis holen", heißt es. Die Not ist groß, auch bei den Christdemokraten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: