Atomausstieg in Deutschland:Neue Energie für die Demokratie

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Könnte die Energiewende nicht einfach aus der Steckdose kommen? Nein, das kann sie nicht. Der Umstieg auf erneuerbare Energien wird für so manchen Verbraucher, Konzern und Bürgermeister anstrengend und unbequem.

Alexandra Borchardt

Wenn Befürworter der Kernkraft früher die vermeintliche Naivität ihrer Gegner anprangern wollten, kamen sie gerne mit dem ironisch gemeinten Spruch: Um Kraftwerke müsse man sich nicht sorgen, der Strom komme schließlich aus der Steckdose. Da hatten sie immer ein paar Lacher auf ihrer Seite. Heute lacht keiner mehr. Doch wenn man der Debatte der vergangenen Wochen folgt, hört man zuweilen die Träumerei heraus, dass an der Sache mit der Steckdose doch bitte etwas dran sein möge: Könnte die Energiewende nicht einfach aus der Steckdose kommen?

Der Umstieg auf erneuerbare Energien wie Solarenergie wird für so manchen Bürger anstrengend und unbequem. Genau darin liegt aber auch eine Chance. (Foto: dpa)

Das kann sie natürlich nicht. Die Energiewende wird teuer, sie wird Verzicht erfordern, sie wird das Leben für so manchen Verbraucher, Konzern und Bürgermeister unbequem und anstrengend machen. Kommt der Umstieg auf erneuerbare Energien mit der jetzt erwünschten Macht, wird er das Land, seine Wirtschaft, die Gesellschaft verändern. Genau darin aber liegt auch eine Chance: eine Chance auf mehr Demokratie.

Die Energiewende berührt das Verhältnis zwischen Bund, Ländern und Kommunen, ja, sie könnte es durcheinanderwirbeln. Denn sie erfordert Umbauten, die vor allem vom Bund sowie den Gemeinden kommen müssen: Ohne einen nationalen Plan darüber, wo Energie erzeugt und wie sie verteilt werden muss, wird nichts vorangehen. Bei der Windenergie müssen zum Beispiel viele hundert Kilometer Trassen festgelegt werden, über die der Strom zu den Verbrauchern gelangt. Das entmachtet zwangsläufig die Länder. Andererseits, und das ist gut für die Demokratie, stärkt der Umbau die Kommunen.

Gemeinden haben die Chance, Herr ihrer eigenen Energieversorgung und damit autark von Konzernen zu werden. Sie können eigene Konzepte zum Beispiel mit Blockheizkraftwerken, Kraft-Wärme-Kopplung und Solarparks entwickeln sowie die Bauordnungen so gestalten, dass der Energieverbrauch sinkt. Gleichzeitig müssen sie sich damit befassen, welchen Beitrag sie zum großen Ganzen leisten, indem sie zum Beispiel Strommasten, Pumpspeicher oder Ähnliches auf ihrem Gebiet tolerieren. Das alles macht Arbeit. Komplexe Entscheidungen müssen getroffen, Bürger beteiligt, zu mancher Investition - zum Beispiel in Haustechnik - und zu manchem Verzicht gebracht werden, und wenn es nur der freie Blick auf den Waldrand ist, der zugunsten einer Stromleitung geopfert werden muss. All das kostet Zeit und Geld und wird nicht mit Brachialgewalt gelingen. Einige Unternehmen haben bereits begriffen, dass sie nicht nur mehr Ingenieure, sondern auch mehr Kommunikationsprofis brauchen werden, wenn Infrastrukturprojekte nicht in Gerichtsakten versinken sollen.

Die Energiewende dauert mit Sicherheit länger, als das so manch einer jetzt im Überschwang des Augenblicks hofft. Aber das ist auch gut. Denn packen viele mit an, könnte diese Wende auch Energien bei den Bürgern freisetzen.

© SZ vom 16.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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