Atomausstieg: Folgen für die Industrie:SPD warnt vor steigenden Energiekosten

"Ohne Stahlindustrie kein Windrad, ohne Autoindustrie keine umweltschonenden Fahrzeuge": SPD-Chef Gabriel und Fraktionschef Steinmeier machen sich zum Fürsprecher der traditionellen deutschen Industrie - und warnen vor dem Verlust von Arbeitsplätzen, falls der Atomausstieg die Produktion verteuert. Das Kabinett verabschiedet heute das Gesetzespaket zur Energiewende.

Susanne Höll, Berlin

Die Spitze der Bundes-SPD macht sich in der Debatte über den Atomausstieg zum Fürsprecher der traditionellen deutschen Industrie. Parteichef Sigmar Gabriel und der Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier verlangen in einem gemeinsamen Plädoyer, die produzierenden Unternehmen im Zuge eines Ausstiegs vor Energiepreissteigerungen zu bewahren.

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"Ohne Stahl- und Kunststoffindustrie kein Windrad": Nach Ansicht der SPD-Spitze haben traditionelle Industriezweige in Deutschland nicht ausgedient.

(Foto: ddp)

"Eine verantwortliche Politik muss auch dafür sorgen, dass nationale Entscheidungen die Preise für Energie- und Rohstoffversorgung in der Industrie und im produzierenden Gewerbe nicht zusätzlich antreiben", heißt es in dem Papier. Das gelte insbesondere für Unternehmen in der Stahlindustrie, die bei ihren Bemühungen um Energie- und Kohlendioxid-Einsparungen bereits objektive Grenzen erreicht hätten.

Das Bundeskabinett berät an diesem Montag über den Ausstiegsplan, wonach die alten Meiler nicht wieder angefahren und die neueren zwischen 2015 und 2022 abgeschaltet werden sollen. Die Stufenlösung soll den Ausstieg unumkehrbar machen. Zudem liegt dem Kabinett ein Gesetzespaket etwa zur Regelung von Planungsfragen vor. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte: "Wir werden keinem Gesetz zustimmen, das die Industrieproduktion in Deutschland und damit sichere Arbeitsplätze gefährdet."

Gabriel und Steinmeier gehen davon aus, dass die Energiekosten in den nächsten Jahren steigen. So würden Milliarden-Investitionen in neue Netze über höhere Strompreise finanziert werden, heißt es in dem Papier. Darin sprechen sich die SPD-Spitzenpolitiker auch vehement für einen Erhalt der Grundstoffproduktion in Deutschland aus, um hohe Beschäftigung und nationalen Wohlstand zu garantieren.

"Ohne Kunststoffindustrie kein Windrad"

Wer glaube, dass ein Land wie Deutschland als traditioneller Produktionsstandort für Chemie, Stahl- und Rohstoffindustrie ausgedient habe und stattdessen sein Glück allein in der sogenannten New Economy, der IT-Branche und in Umwelttechnologien suche, erliege einem Irrglauben. Ohne Stahl- und Kunststoffindustrie könne man kein Windrad bauen, ohne eine wettbewerbsfähige Automobilindustrie keine umweltschonenden Fahrzeuge, argumentieren die beiden.

Mit diesem Plädoyer setzen sich Gabriel und Steinmeier auch von ihrem grünen Wunschkoalitionspartner ab. Der hatte im Streit über die nun gestoppte Verlängerung der AKW-Laufzeiten und den Super-Gau im japanischen Fukushima an öffentlichem Zuspruch gewonnen. Nach der Grundsatzentscheidung für den Ausstieg bis 2022 will die SPD bei diesem Thema wieder in die Offensive kommen.

Konkret setzten sich die beiden unter anderem dafür ein, staatliche Förderung für den schnellen Bau neuer Kraftwerkskapazitäten vor allem Stadtwerken und Energie-Genossenschaften zur Verfügung zu stellen. Auch müsse die Bundesregierung dafür sorgen, dass eine unabhängige Stelle permanent die Kosten der Energiewende kontrolliere.

Der von Bund und Ländern geplante Ausstieg aus der Atomkraft könnte zu einem breiten Energiekonsens führen. Zwar hielten sich neben der SPD auch die Grünen am Wochenende ihre Zustimmung offen, sie begrüßten den Stufenplan aber grundsätzlich. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte, es gehe in die richtige Richtung, der Atomausstieg befinde sich "jetzt auf einem guten Weg". CSU-Chef Horst Seehofer appellierte an die Grünen, sie sollten sich dem Konsens nicht verweigern.

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