Süddeutsche Zeitung

Konflikt mit Iran:"Trumps Appetit auf einen Krieg ist begrenzt"

Der Politikwissenschaftler Sascha Lohmann vermisst diplomatische Kommunikation zwischen den USA und Iran - und er erklärt, was die EU noch tun kann.

Interview von Eva-Maria Brändle

Die US-Regierung hat am Montag elf neue Fotos veröffentlicht, die beweisen sollen, dass Iran Angriffe auf zwei Tankschiffe im Golf von Oman verübt hat. Teheran weist diese Anschuldigungen von sich. Aktuell gibt es keine Anzeichen für eine Annäherung beider Konfliktparteien.

Sascha Lohmann ist Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Amerika der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Er warnt vor einem vorschnellen Urteil über die zuletzt veröffentlichten Fotos des US-Verteidigungsministeriums. Lohmann erklärt, welche Akteure noch hinter den Angriffen auf die Tanker stecken könnten und warum die EU am Atomabkommen festhalten sollte.

SZ: Sind die neu veröffentlichten Fotos Beweise dafür, dass die iranischen Revolutionsgarden die beiden Tanker angegriffen haben?

Sascha Lohmann: Allem Anschein nach hat ein Schnellboot der iranischen Revolutionsgarden am 13. Juni eine Haftmine von einem Tanker entfernt. Das ist jedoch immer noch kein Beweis dafür, dass die iranischen Revolutionsgarden auch für die Beschädigungen verantwortlich sind. Auch aus den neuen Fotos erhält man wenig Informationen, die über das Entfernen der Mine hinausgehen. Ohne eine unabhängige Untersuchungskommission ist es schwer, das zu beurteilen.

Ist es denn denkbar, dass Iran die Attacken auf die Tankschiffe verübt hat?

Es würde grundsätzlich für eine langsame, asymmetrische Eskalation von Seiten der Iraner sprechen. Aber gleichzeitig gibt es eine Reihe anderer, regionaler Akteure, die davon profitieren könnten, wenn eine solche Aktion Iran in die Schuhe geschoben würde.

Welche Akteure könnten das sein?

Aufgrund der aktuellen Informationen kann man keine valide Aussage treffen, wer die Attacken auf die Tanker vorgenommen hat. Grundsätzlich hat die US-Regierung aber ein Interesse daran, den Europäern aufzuzeigen, wie schlecht das Atomabkommen mit Iran war. Die USA hätten einen Beleg, dass Iran kein vertrauenswürdiger Akteur ist - dass man dem Land keine Urananreicherung zugestehen kann. Auch die Saudis könnten von einem regionalen Konflikt wirtschaftlich profitieren, der sicherlich den Ölpreis zumindest weiter in die Höhe treiben würde. Zudem streiten sie mit Iran seit Langem um die regionale Vorherrschaft am Persischen Golf und sind Konkurrent beim Ölexport.

Sind die von Ihnen genannten Akteure wirklich an einer Eskalation interessiert?

Nein, sowohl die USA als auch die Golfstaaten haben kein Interesse, dass dieser Konflikt weiter eskaliert. Das Problem in der jetzigen Situation ist, dass man sich in einer Eskalationsspirale befindet. Aufgrund der Abwesenheit von diplomatischen Kommunikationskanälen können kaum defensive Signale gesendet werden.

Was war die Motivation der USA, die Fotos zu veröffentlichen?

Die USA wollen mittels der Fotos Iran an den Pranger stellen und damit die europäischen Alliierten unter Druck setzen, ihre Strategie zu überdenken. Diesem Ziel sind sie nun ein kleines Stück näher gekommen, nachdem zum Beispiel die Briten Iran nun auch für die Attacken verantwortlich gemacht haben.

Am Montag kündigte das US-Verteidigungsministerium an, 1000 zusätzliche Soldaten im Nahen Osten zu stationieren. Wollen die USA wirklich keinen Krieg?

Mit der Truppenstärke, die die USA in der Region haben, kann man zunächst einmal keine Invasion starten. Auch gezielte Luftschläge werden dadurch erschwert, dass Iran etwa im Vergleich zum Irak größer und die iranische Luftabwehr viel besser ausgerüstet ist. Die US-Regierung weiß auch, dass die Gefahr, die vom iranischen Atomprogramm ausgehen könnte, mit militärischen Mitteln zwar einige Zeit eingedämmt, aber ihr nicht nachhaltig begegnet werden könnte. Zudem: Der Appetit von Trump auf einen Krieg ist begrenzt. Aber: Truppenverlegungen in die Region schaffen mehr Berührungspunkte. Dadurch steigt das Risiko einer direkten Konfrontation, etwa ein Anschlag auf US-Truppen oder deren Verbündete, die Präsident Trump zum Handeln zwingen könnte. Wenn Sie sich das Gerät anschauen, das in die Region verlegt wird: Es spricht wenig für die Vorbereitung eines groß angelegten Militärschlags oder gar einer Invasion, was ja viele gerade befürchten.

Die Situation wirkt dennoch sehr verfahren - wie kann sie sich entspannen?

Zwar haben die Europäer wenig Einfluss, um zwischen beiden Seiten zu vermitteln. Sie könnten Iran aber wirtschaftliche Vorteile verschaffen, um das Land weiterhin im Atomprogramm zu halten. Das ist gegenwärtig auch die Hauptstoßrichtung der Europäer - neben den rhetorischen Bemühungen, um auf die äußerste Zurückhaltung aller Beteiligten hinzuwirken. Am Montag hat Iran angekündigt, stärker Uran anzureichern. Jetzt muss man der iranischen Führung Anreize geben, nicht gänzlich aus dem Atomabkommen auszusteigen.

Angenommen, Iran beginnt tatsächlich, stärker Uran anzureichern. Ist dann das Atomabkommen gänzlich gestorben?

Bisher haben sich die iranischen Gegenmaßnahmen noch im Rahmen des Atomabkommens bewegt. Sobald Iran jedoch gegen die Vereinbarung verstößt, hat man von Seiten der Europäer ein Problem. Wenn Iran das Abkommen bricht, dann hätten die Europäer in Verhandlungen einen schweren Stand. Aktuell kann man argumentieren, dass Iran das Atomabkommen noch nicht gebrochen hat.

Wenn Iran gegen das Atomabkommen verstoßen sollte, würde die EU vermutlich wieder Sanktionen auferlegen. Wie stark würden sie Iran treffen?

Zusätzliche Sanktionen der EU würden die angespannte wirtschaftliche Lage im Land nur marginal weiter verschlechtern. Selbst wenn die Europäer ihre eigenen Sanktionen zurückbrächten. Die bestehenden US-Sanktionen sind der Hauptgrund für den Rückzug international tätiger Unternehmen vom iranischen Markt.

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