Süddeutsche Zeitung

Atomwaffen:Rückkehr zu Atomabkommen mit Iran unwahrscheinlich

Die EU-Staaten werfen Teheran in einer Erklärung vor, die "diplomatische Chance" nicht zu ergreifen. Iran stellt neue Forderungen.

Von Paul-Anton Krüger, Berlin

Hoffnungen auf eine zügige Rückkehr zum Atomabkommen mit Iran haben sich zerschlagen. Frankreich, Großbritannien und Deutschland (E3) veröffentlichten am Samstag eine gemeinsame Erklärung, in der sie Iran anlasten, die "entscheidende diplomatische Chance nicht zu ergreifen", die ein vom EU-Außenbeauftragten Josep Borrell ausgehandelter Kompromiss biete. Iran habe stattdessen neue Forderungen erhoben, die "ernsthafte Zweifel an Irans Absichten und seinem Bekenntnis zu einem erfolgreichen Ergebnis" bei den Bemühungen um die Rückkehr zum Atomabkommen weckten.

Borrell hatte Anfang August nach mehr als eineinhalbjährigen Verhandlungen einen Vorschlag vorgelegt. In einer ersten Antwort hatte Iran sich bereit gezeigt, darauf einzugehen, forderte aber gewisse Änderungen. Borrell hatte wie die E3 und die USA diese erste Antwort als konstruktiv bewertet. Die Regierung von Präsident Joe Biden zeigte sich bereit, Änderungen zu akzeptieren, machte dies aber abhängig von einer anderen Reihenfolge der Schritte, mit denen das Abkommen in einem monatelangen Prozess von beiden Seiten wieder umgesetzt werden sollte.

Daraufhin stellte Iran Forderungen, die nach Ansicht der E3 und Washingtons nicht im Zusammenhang mit dem Atomabkommen stehen und die Teheran zuvor bereits zurückgezogen hatte. Konkret verlangt Teheran, dass die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) eine Untersuchung von drei Einrichtungen in Iran einstellen müsse, bevor das iranische Parlament über die Rückkehr zum Atomabkommen befindet. Damit bleiben der IAEA aber nur wenige Monate, die Untersuchung abzuschließen, bei der Iran den Inspektoren seit Monaten jede Zusammenarbeit verweigert.

Es geht um drei Anlagen, die Iran nie als Teil seines Atomprogramms deklariert hat. Inspektoren haben dort Spuren von Uran nachgewiesen. Daran knüpft sich der Verdacht, dass Iran ein umfangreicheres geheimes militärisches Atomprogramm unterhalten hat, als bislang bekannt. Iran hat bislang keine plausiblen Erklärungen für die Existenz des Urans an den Orten geliefert und hindert die Inspektoren an weiteren Nachforschungen.

Die westlichen Staaten haben deutlich gemacht, dass die Untersuchung nur geschlossen werden kann, wenn IAEA-Chef Rafael Mariano Grossi nach seiner Einschätzung zufriedenstellende Antworten erhalten hat und Iran den Verdacht ausräumt. Dazu ist die Islamische Republik nach ihrem Sicherungsabkommen mit der IAEA verpflichtet, das sie unabhängig von dem Atomabkommen mit der IAEA geschlossen hat.

Sprecher des iranischen Außenministeriums nennt Erklärung "unausgewogen"

Iran dürfte sich bei der an diesem Montag beginnenden Sitzung des Gouverneursrates der IAEA erneut scharfer Kritik gegenübersehen. Zuletzt hatten lediglich Russland und China gegen eine Resolution des Gremiums votiert, mit der Iran zur Kooperation aufgefordert wird. Der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Nasser Kanaani, kritisierte die Erklärung der E3 als "unausgewogen und nicht konstruktiv".

Die IAEA hat in ihrem jüngsten Bericht festgestellt, dass Iran sein Atomprogramm rasch weiter ausbaut und inzwischen mehr als auf 60 Prozent angereichertes Uran produziert hat, als für den Bau einer Atombombe theoretisch erforderlich wäre. Westliche Geheimdienste gehen davon aus, dass die iranischen Techniker aber noch sechs bis zwölf Monate bräuchten, um einen nuklearen Sprengsatz daraus herzustellen. Je weiter das Programm fortschreitet, desto geringer ist der noch verbleibende Nutzen des Atomabkommens.

Ein Abschluss vor den Zwischenwahlen für den US-Kongress Anfang November gilt inzwischen als unwahrscheinlich, ob sich das Abkommen überhaupt noch retten lässt, als zweifelhaft. US-Präsident Biden hat vergangene Woche seine Regierung aufgefordert, sicherzustellen, dass die USA über "andere Optionen" verfügen, zu verhindern, dass Iran in den Besitz von Atomwaffen gelangt, wie der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby mitteilte.

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