Knapp zehn Jahre nach dem historischen Atomabkommen mit Iran sind die UN-Sanktionen gegen das Land nach gescheiterten Verhandlungen wieder in Kraft getreten. Die Frist für eine Einigung zwischen Teheran und seinen Verhandlungspartnern Deutschland, Großbritannien und Frankreich lief in der Nacht zum Sonntag um 2.01 Uhr mitteleuropäischer Zeit ab. Die nun wieder geltenden Strafmaßnahmen umfassen unter anderem ein allgemeines Waffenembargo, ein Verbot weiterer Urananreicherungen sowie zahlreiche Sanktionen gegen Einzelpersonen und Organisationen zum Einfrieren von Geldern. Unter einem Waffenembargo versteht man ein Verbot, Waffen und Ausrüstungsgüter an das betroffene Land zu liefern.
Die Europäische Union kündigte an, die wiedereingeführten UN- und EU-Sanktionen gegen Iran unverzüglich umsetzen zu wollen. Das bestätigte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas. Eine nachhaltige Lösung im Atomkonflikt könne jedoch nur durch Verhandlungen und Diplomatie erreicht werden, fügte sie hinzu. Teherans Partner Moskau hingegen will sich nicht an neuerlichen Sanktionen beteiligen.
Israel bezeichnet die Wiedereinführung der UN-Sanktionen gegen Iran als „wichtige Entwicklung“. Das Außenministerium in Jerusalem erklärt auf der Plattform X weiter, die Weltgemeinschaft müsse „jedes Mittel“ nutzen, um zu verhindern, dass die Islamische Republik in den Besitz von Atomwaffen komme.
Iran kritisierte die Reaktivierung der Sanktionen als rechtswidrig. „Die Maßnahme der drei europäischen Länder ist aus rechtlicher und verfahrenstechnischer Sicht fehlerhaft und daher null und nichtig“, schrieb Außenminister Abbas Araghchi an UN-Generalsekretär António Guterres. Das Inkrafttreten der Sanktionen stelle einen „eindeutigen Missbrauch“ des Wiener Atomabkommens von 2015 dar und sei weder politisch noch moralisch zu rechtfertigen. Er erwarte von Guterres, dass er die drei europäischen Staaten und die USA davon abhalte, die UN für ihre politischen Zwecke zu instrumentalisieren, erklärte Araghchi.
Wie Iran konkret auf die UN-Sanktionen reagieren wird, ist noch unklar. Teheran hatte bereits seine Botschafter aus Berlin, Paris und London zu Beratungen zurückgerufen. Araghchi und Präsident Massud Peseschkian haben zudem eine Aussetzung der Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde in Aussicht gestellt. Hardliner im Parlament fordern als Gegenmaßnahme Irans Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag.In Teheran wächst die Sorge, dass die Reaktivierung der UN-Sanktionen die ohnehin desolate Wirtschaftslage weiter verschärfen könnte.
Auch Deutschland hatte Sanktionen vorangetrieben
Deutschland, Frankreich und Großbritannien hatten Ende August den sogenannten Snapback-Mechanismus aktiviert. Er diente dazu, Iran bei Nichteinhaltung seiner Verpflichtungen im Rahmen des Atomabkommens von 2015 wieder mit vorherigen Sanktionen belegen zu können. Die Europäer sind neben den USA, Russland und China Mitunterzeichner des Deals, der als Meilenstein der Diplomatie gilt.
Der Vertrag sah eine Begrenzung der iranischen Urananreicherung auf maximal 3,67 Prozent sowie eine strenge Überwachung vor, damit Teheran keine Atombombe erlangen konnte. Im Gegenzug sollten Sanktionen aufgehoben werden.
US-Präsident Donald Trump war der Vertrag, der unter seinem von ihm verachteten Vorgänger Barack Obama ausgehandelt worden war, seit jeher ein Dorn im Auge. 2018 kündigte Trump die Vereinbarung einseitig auf. Zugleich ließ er neue und härtere Sanktionen gegen Iran verhängen.
Erhoffte Lockerungen und ein wirtschaftlicher Aufschwung blieben indes aus. Seitdem hatte Teheran seine Pflichten gemäß dem Abkommen zusehends missachtet. Seit Jahren bereits wird es faktisch nicht mehr umgesetzt. Teheran hat die Wiedereinführung der Sanktionen daher als illegitim kritisiert, Verhandlungen scheiterten.
Europäer warnen Iran vor Eskalation, USA werben für Verhandlungen
Deutschland, Großbritannien und Frankreich warnten nun Iran vor einer Eskalation des Atomstreits. „Wir fordern Iran nachdrücklich auf, von jeglichen eskalierenden Maßnahmen abzusehen und sich wieder an seine rechtlich bindenden Sicherungsmaßnahmen zu halten“, teilten die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und des Vereinigten Königreichs (E3) in der Nacht gemeinsam mit. „Die Wiedereinführung von UN-Sanktionen bedeutet nicht das Ende der Diplomatie.“
Auch die USA stellten Iran neue Verhandlungen in Aussicht. Außenminister Marco Rubio sagte, Präsident Donald Trump habe deutlich gemacht, dass Diplomatie nach wie vor eine Option sei. „Ein Abkommen bleibt das beste Ergebnis für das iranische Volk und die Welt.“ Damit dies geschehen könne, müsse Iran direkte Gespräche akzeptieren.
Vor wenigen Tagen hatte Irans oberster Führer Ayatollah Ali Chamenei möglichen Verhandlungen mit den USA eine klare Absage erteilt und Trump vorgeworfen, keine echten Gespräche führen zu wollen.
Wadephul: Neues diplomatisches Kapitel aufschlagen
Bundesaußenminister Johann Wadephul hatte Iran bereits vor Ablauf der Frist zu neuen Verhandlungen aufgerufen. „Mit dem Snapback endet ein Kapitel unserer diplomatischen Bemühungen“, hatte der CDU-Politiker wenige Stunden vor Fristende in New York gesagt. Er fügte hinzu: „Iran hat die Möglichkeit, ein neues Kapitel von Diplomatie aufzuschlagen. Es ist an ihm, den Weg hin zu neuen Gesprächen zu beschreiten. Wir sind dafür bereit.“
Wadephul sagte weiter, die Formel der Wiener Atomvereinbarung sei einfach gewesen: Sanktionsaufhebung gegen Beschränkung des Atomprogramms. Iran habe über Jahre hinweg seine Verpflichtungen missachtet. „Es gibt keine plausible Begründung, Uran auf 60 Prozent anzureichern. Iran ist der einzige nicht-atomar bewaffnete Staat der Welt, der so hoch angereichertes Uran besitzt.“
Laut einem Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA verfügte Iran vor Beginn des israelischen Kriegs gegen das Land im Juni über mehr als 400 Kilogramm Uran mit einem Reinheitsgrad von 60 Prozent. Für den Bau von Atomwaffen wäre eine weitere Anreicherung auf einen Reinheitsgrad von mehr als 90 Prozent erforderlich. Wie viel von dem Material und den Kapazitäten Irans nach den schweren Angriffen der USA und Israels im Juni noch übrig ist, bleibt derweil umstritten.
Iranische Opposition im Exil begrüßt Maßnahmen
Die iranische Opposition im Exil bezeichnet die erneut in Kraft getretenen UN-Sanktionen als unerlässlich. Nur so könne die „religiöse Diktatur“ daran gehindert werden, „in den Besitz einer Atombombe zu kommen“, sagte die Präsidentin des in Iran verbotenen Nationalen Widerstandsrates (NWRI), Maryam Rajavi. Sie fügte hinzu: „Die endgültige Lösung ist ein Regimewechsel durch das iranische Volk, und das Recht auf Widerstand gegen das Regime des Terrors und der Massaker muss anerkannt werden.“

