Der Genfer Kompromiss im Atomstreit mit Iran ist noch kein "Durchbruch", wie Diplomaten ihre Erfolge in Anlehnung an die Sprache von Kriegsberichten gerne nennen.
Denn wie verhärtet die Fronten zwischen dem Westen und der Islamischen Republik weiterhin sind, wird sich zeigen, wenn in den kommenden sechs Monaten jene Gesamtlösung des komplizierten Problems gefunden werden soll, die den Konflikt dauerhaft aus der Welt schafft. Aber als erster Schritt ist das Übergangsarrangement viel gewichtiger als einst jenes unscheinbare Pingpong-Spiel amerikanischer mit chinesischen Sportlern, das gleichwohl die Normalisierung zwischen Washington und Peking einleitete.
Im Augenblick haben alle gewonnen. Für Irans Präsidenten Hassan Rohani ist es ein schöner Erfolg, denn er hat in drei Monaten geschafft, was seinen reformgesinnten Vorgängern Mohammed Chatami und Haschemi Rafsandschani über Jahre hinweg bei allen Anläufen nicht gelang: mit Amerika ins Gespräch zu kommen. Wenn Irans innere und äußere Lage stabilisiert werden soll, muss das Kriegsbeil mit Amerika aber begraben werden.
Ohne eine teilweise Lockerung der Sanktionen, wie sie jetzt in Aussicht steht, wären in wenigen Monaten Teherans Kassen leer gewesen. Dies hätte das Ende aller Hoffnungen bedeutet, das Leben der Iraner zu verbessern, ihren Alltag freizügiger zu gestalten, und vermutlich wäre es auch das Ende von Rohanis politischer Zukunft gewesen. Der Geistliche Führer Ali Chamenei hat den Erfolg der Unterhändler sofort abgesegnet. Dass im Parlament einige Ultras dagegenbellen, hat nun nicht mehr viel zu bedeuten.
Atomverhandlungen mit Iran:Keine Lösung, aber ein historischer Schritt
Es wird noch lange dauern, bis der Westen den Beteuerungen des Regimes in Teheran guten Gewissens glauben kann. Doch die Einigung bei den Atomverhandlungen ist ein erster Schritt. Nun müssen die Beteiligten eine abschließende Lösung finden. Dieser Prozess wird schwierig. Er wird beiden Seiten Zugeständnisse abverlangen, die weh tun.
Günstig für die Entwicklung in Nahost
Grund zur Erleichterung hat auch US-Präsident Barack Obama. Einen weiteren Nahost-Krieg hätte er seinem Volk und den amerikanischen Finanzen nicht zumuten können, weder in Syrien noch gegen Iran. Den Israelis, den Saudis und einigen kleineren Golfstaaten, die sich vor iranischer Hegemonie fürchten, missfällt die Übereinkunft. Doch für die Entspannung der explosiven Lage in Nahost kann sie sich insgesamt nur als günstig erweisen. Das Engagement der Außenminister Amerikas und Russlands war entscheidend, als die letzten Hindernisse in Genf aus dem Weg geräumt werden mussten.
Seit vier Monaten hatten die USA und Iran den Kompromiss von Genf diskret in zweiseitigen Gesprächen vorbereitet. Die Europäer waren daran nur am Rande beteiligt. Noch ist die erreichte Annäherung punktuell. Doch seit Rohanis Wahl hat in Teheran eine Gruppe Politiker die Geschäfte in der Hand, die alles Heil im Abbau der drei Jahrzehnte alten Konfrontation mit dem Westen sieht.
Außenminister Mohammed Dschawad Sarif, der sich in Genf bewährt hat, und andere Macher der Teheraner Außenpolitik sind Amerika-erfahren. Falls sich der erste Schritt zu einem umfassenden Vertrauensverhältnis ausbauen lässt, wird es die amerikanische Nahost-Politik generell viel leichter haben. Dies gilt für Libanon und Palästina, noch mehr für Irans Nachbarn Irak und Afghanistan, von wo das Gros der US-Truppen im kommenden Jahr abgezogen werden soll. Der gute Wille der Iraner - oder ihr Störpotenzial - können überall in ihrem Umfeld viel bewirken.
Einigung im Streit mit Iran:Israel hält Atomabkommen für "historischen Fehler"
"Sieg für alle" oder "historischer Fehler"? Die Reaktionen auf das Übergangsabkommen mit Iran fallen unterschiedlich aus. Israel zeigt sich empört. Europa und die USA loben den "Schritt in die richtige Richtung". Iran wertet das Abkommen als Erfolg.
Israel und Iran - eine Annäherung ist möglich
Es gibt in Washington nicht nur Gegner Obamas, sondern im Kongress auch Fachleute, die diese Zusammenhänge begreifen. Sowohl auf Seiten Irans als auch der USA wächst derzeit im Kreis der Entscheidungsträger die Bereitschaft, sich auszusöhnen. Selbst israelische Geheimdienstkreise ließen - anders als ihr Premierminister Benjamin Netanjahu - in jüngster Zeit verlauten, sie hielten realpolitisch tragfähige Beziehungen zu Teheran für erreichbar.
Vor Zeiten lebte Ägypten in solider Feindschaft zu Israel, durch mehrere verlustreiche Kriege gefestigt. Gute amerikanische Beziehungen zu beiden Seiten brachten am Ende dennoch einen Frieden zustande, der bis heute hält. Es gibt Menschen, die US-Außenminister John Kerry nach der Einigung von Genf zutrauen, er könne ein ähnliches ungleiches Dreieck auch mit Jerusalem und Teheran konstruieren. Die Voraussetzungen sind dabei mindestens nicht schlechter als damals im Falle Ägyptens.
Als sich die Iraner während des Krieges mit dem Irak in der Klemme befanden, sorgten die Israelis mit den USA in der sogenannten Iran-Contra-Affäre für heimliche Waffenlieferungen an Teheran. Für die Israelis waren stets die Araber der Hauptfeind, nicht die Perser.
Auf der anderen Seite waren Irans Kriegserklärungen an Israel nie mehr als Geschwätz. Jenseits der Propaganda ihrer Regierung interessieren sich wenige Iraner für Palästina. Und auch iranische Soldaten haben noch nie auf israelische geschossen.