Athen nach der Wahl:Griechenlands radikale Linke brüskiert Europa

Das Regierungschaos in Athen erschüttert weltweit die Börsenkurse. Bis Freitagmittag haben die radikalen Linken Zeit, um eine Regierung zusammenzubekommen. Die Partei will den Sparkurs aufkündigen und verärgert damit nicht nur die internationalen Geldgeber. Immer mehr deutsche Politiker fordern jetzt einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone.

Die politische Lage in Griechenland ist nach der Parlamentswahl chaotisch: Die konservative Partei Nea Dimokratia blieb am Sonntag trotz massiver Verluste stärkste Kraft und hatte als Erste die Chance zur Regierungsbildung. Doch Parteichef Antonis Samaras legte das Sondierungsmandat nach kurzer Zeit am Montag nieder. Er sah keine Chance für ein stabiles Parteienbündnis, das im neuen Parlament eine Mehrheit hat.

Nun hat der Chef der griechischen radikalen Linken, Alexis Tsipras, die Gelegenheit. Er setzt an diesem Mittwoch seine Sondierungsgespräche zur Bildung einer Regierung fort. Sollte Tsipras bis Freitagmittag keine Mehrheit zustande bringen, sind die Sozialisten der Pasok am Zug. Die Pasok war bei den Parlamentswahlen am Sonntag drittstärkste Kraft geworden. Die Zeit drängt: Bis Mitte Mai muss Griechenland eine handlungsfähige Regierung haben. Sollten alle Gespräche scheitern, muss binnen 30 Tagen neu gewählt werden.

Ein Erfolg der Syriza-Partei von Tsipras bei den Bemühungen um die Regierungsbildung gilt als unwahrscheinlich. Selbst wenn sie das zersplitterte linke Lager vereinigen könnte, würde das nur für 97 Sitze reichen. Die Regierungsmehrheit von 151 Mandaten im Parlament mit seinen 300 Sitzen würde klar verfehlt. Auch für die Bildung einer Minderheitsregierung, die von anderen Parteien geduldet wird, reicht es ganz offensichtlich nicht. Dafür sind mindestens 120 Mandate notwendig.

Beim Treffen mit Präsident Karolos Papoulias sprach Tsipras am Dienstag von einem historischen Moment für die Linke. Die bisherigen Regierungsparteien rief er auf, gegenüber Brüssel zu erklären, dass ihre Unterschriften unter dem Spar- und Stabilisierungsprogramm nicht mehr gelten. Alle Verträge, die Griechenland mit den Geldgebern geschlossen habe, seien nach dem Ergebnis der Parlamentswahl null und nichtig. Bei der Abstimmung war am Sonntag das Bündnis der Radikalen Linken überraschend zweitstärkste Kraft geworden.

Nea-Dimokratia-Chef Samaras reagierte empört auf die Forderungen. "Was Herr Tsipras da verlangt, führt direkt zum Austritt Griechenlands aus der Eurozone", sagte Samaras.

Tsipras kündigte für den Fall einer Regierungsübernahme ein "Rückzahlungsmoratorium" für griechische Schulden an. Internationale Kontrolleure sollten prüfen, wie hoch genau die Schulden Griechenlands seien - und ob sie rechtmäßig seien. Außerdem müssten auch alle "arbeiterfeindlichen" Gesetze zurückgenommen werden.

Austrittsforderungen werden lauter

Angesichts der Unsicherheiten über den künftigen griechischen Sparkurs hat erstmals ein Vertreter der Europäischen Zentralbank (EZB) öffentlich über ein mögliches Euro-Aus für Griechenland gesprochen. Griechenland könne nach den Wahlen nicht mit einer Bereitschaft der EZB rechnen, sein Sanierungsprogramm neu zu verhandeln, sagte EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen in einem Interview mit dem Handelsblatt.

"Griechenland muss klar sein, dass es zu diesem vereinbarten Sanierungsprogramm keine Alternative gibt, wenn es Mitglied der Euro-Zone bleiben will", machte Asmussen deutlich. Die Aussagen können als rhetorischer Kursschwenk der Notenbank gewertet werden - nie zuvor wurde ein Ausstiegsszenario von dieser Seite aus derart offen thematisiert.

Auch in der deutschen Regierungskoalition werden Rufe nach einem Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone wieder lauter. "Wir sollten Griechenland anbieten, die Euro-Zone geregelt zu verlassen, ohne aus der Europäischen Union auszuscheiden", sagte der CDU-Abgeordnete und als Kritiker der Euro-Rettungspakete bekannte Klaus-Peter Willsch dem Handelsblatt.

Auch der FDP-Finanzexperte und als Euro-Skeptiker geltende Frank Schäffler zeigte sich der Zeitung zufolge offen für einen Euro-Austritt Griechenlands. Nach der Wahl vom Sonntag, bei der sich die Griechen mehrheitlich gegen den Sparkurs des Landes ausgesprochen hätten, müsse Griechenland zunächst Zeit gegeben werden, sich zu finden. "Dennoch muss man vorbereitet sein", sagte Schäffler.

Der Vizevorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Michael Meister, sagte, die neue Regierung müsse die Konsequenzen verantworten, sollten die Verträge wider Erwarten nicht eingehalten werden.

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), mahnte die griechischen Politiker, schnell eine handlungsfähige Regierung zu bilden. "Die griechischen Parteien sollten bedenken, dass eine stabile Regierung, die sich an die Absprachen hält, Grundvoraussetzung für weitere Unterstützung der Eurozonen-Länder ist", sagte Schulz der Bild-Zeitung.

Informationen der Süddeutschen Zeitung zufolge sagte die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds ihre für Mitte Mai geplante Mission in Athen ab. Zunächst solle die "demokratische Entwicklung" in Griechenland abgewartet werden.

Das Land hängt im Zuge der Euro-Krise von seinen internationalen Geldgebern ab und braucht dringend neue Finanzmittel - 30 Milliarden Euro bis Ende Juni sollen es sein, andernfalls droht Griechenland die Staatspleite.

Unsicherheit belastet Börsenkurse weltweit

Die Furcht vor einem politischen Chaos in Athen belastet weltweit die Börsenkurse. In Frankfurt schloss die Börse am Dienstag mit einem Abschlag von 1,9 Prozent auf 6444 Zähler tief im Minus. An der Wall Street gab der Dow-Jones-Index nach und auch in Asien zeigten sich Investoren von der Krise verunsichert.

Auch die Commerzbank hat auf die ungewisse Lage in dem Euro-Land reagiert und die Aufräumarbeiten bei der vor der Abwicklung stehenden Immobilien- und Staatsfinanzierungstochter Eurohypo beschleunigt. Die Sparte Asset Based Finance, zu der die Eurohypo bisher gehört, weitete ihren operativen Verlust im ersten Quartal auf 425 (2011: minus 138) Millionen Euro aus, wie die Commerzbank mitteilte. Dabei schlug vor allem der Ausverkauf von Staatsanleihen zu Buche, bei dem die Commerzbank auch Verluste in Kauf nahm. So stieß die Commerzbank griechische Bonds ab, die sie erst vor kurzem beim Schuldenschnitt für Athen und dem damit einhergehenden Anleihetausch für die privaten Gläubiger erhalten hatte. Ihr Engagement in Griechenland liegt nun bei Null.

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