In Teilen der SPD-Bundestagsfraktion wächst der Wunsch, auf dem Weg zur Bundestagswahl 2013 stärker auf Konfrontationskurs zu Bundeskanzlerin Angela Merkel zu gehen. Die Niederlage des Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier bei der Abstimmung über den Anti-Piraten-Einsatz Atalanta sei dafür ein weiteres Signal gewesen, sagten mehrere SPD-Abgeordnete am Mittwoch.
Damit muss sich sowohl die SPD-Spitze als auch die schwarz-gelbe Koalition darauf einstellen, dass die Fraktion aus Gründen parteipolitischer Profilierung auch in außen- und europapolitischen Fragen ihre Zustimmung verweigern könnte.
Am Dienstag hatte sich eine knappe Mehrheit der Parlamentarier entgegen der Empfehlung Steinmeiers und des Fraktionsvorstandes dafür ausgesprochen, an diesem Donnerstag das neue ausgeweitete Mandat für den Atalanta-Einsatz abzulehnen. Steinmeier hatte für eine Enthaltung plädiert, da die SPD das bisherige Mandat für die Piratenbekämpfung auf dem Meer vor Somalia mitträgt, nicht aber den neuen Auftrag, Piraten auch am Strand von der Luft aus anzugreifen.
Die SPD-Spitze, darunter der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel und der Parlamentarische Geschäftsführer Thomas Oppermann, versuchten den Eindruck zu erwecken, es habe sich bei der Abstimmung allein um eine Sachfrage gehandelt. Dem widersprachen aber Abgeordnete. Insbesondere Parlamentarier aus Nordrhein-Westfalen hätten den Wunsch gehabt, in dieser Frage kurz vor der bedeutsamen Landtagswahl am kommenden Sonntag parteipolitische Signale zu senden.
Auch in SPD-Führungskreisen hieß es, offenkundig habe die Atalanta-Frage als "Ventil" für Enttäuschung über das Abschneiden der SPD bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein gedient. Aus Sicht der Führung sei es besser, wenn sich Unmut in solchen politisch weniger bedeutsamen Abstimmungen zeige als etwa beim wichtigen Projekt Fiskalpakt, hieß es weiter.
Steinmeier hatte in jüngster Zeit wachsende Mühe, die Fraktion von Zustimmungen in europapolitischen Fragen zu überzeugen. Sollte die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen keine Mehrheit für Rot-Grün bringen, dürfte nach Einschätzung aus SPD-Führungskreisen die Bereitschaft zur Kooperation mit der schwarz-gelben Koalition weiter sinken. "Die Stimmung verlangt derzeit klare Kanten. Und der Druck wächst", verlautete aus diesen Kreisen.
Noch aber sieht man in der SPD-Spitze keine Gefahr für den EU-Fiskalpakt, der bei einem Nein der Sozialdemokraten in Bundestag und Bundesrat platzen würde. Es gebe große Zuversicht, dass Merkel bereit sei, auf die Forderungen der SPD und des gewählten französischen Präsidenten François Hollande einzugehen und das Abkommen zur Etatdisziplin um ein Wachstumsprojekt zu ergänzen. Die jüngsten Äußerungen der Kanzlerin deuteten darauf hin.
Allerdings sei für die Zustimmung der SPD zum Fiskalpakt eine Finanzmarktsteuer unabdingbar. Bei dieser Forderung hatte sich die Union zuletzt offen gezeigt, die FDP sperrt sich aber gegen eine solche Abgabe. An dieser Frage würde die SPD im Einvernehmen dann auch mit ihrer Spitze den Fiskalpakt notfalls platzen lassen, hieß es in den Kreisen.