Der große Stau der Asylverfahren in deutschen Ämtern und Gerichten löst sich allmählich, allerdings nur langsam auf. Bis ein Asylbewerber eine juristisch unanfechtbare Entscheidung über seinen Asylantrag in den Händen hält, dauerte es 2023 im Durchschnitt etwas mehr als eineinhalb Jahre, nämlich 18,5 Monate. Das sind mehr als drei Monate weniger als im Jahr davor und ist deutlich schneller als 2020, als ein solches Verfahren im Schnitt erst nach fast 26 Monaten sein Ende fand.
Mit diesen Durchschnittszahlen beantwortete das Bundesinnenministerium nun eine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Clara Bünger. Es lieferte dazu noch zahlreiche Daten, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen und genauer beleuchten, wie es um die deutsche Asylbürokratie steht – und um das Bemühen von Bund und Ländern, die Verfahrensdauern zu verkürzen.
Das EU-Recht sieht eine Verfahrensdauer von nur sechs Monaten vor
Nicht erst seit das deutsche Asylsystem im Flüchtlingswinter 2015/16 an den Rand des Zusammenbruchs geriet, haben Politiker fast aller Parteien gefordert oder versprochen, möglichst schnell darüber zu entscheiden, ob Geflüchtete bleiben dürfen oder gehen müssen. Mit mehreren Gesetzespaketen haben Bundesregierungen seither versucht, diesem Ziel näherzukommen.
Wie sieht es damit aus? Tatsächlich dauerten die Asylverfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in den ersten vier Monaten des laufenden Jahres etwas mehr als sieben Monate. Iraner warteten sogar im Schnitt mehr als ein Jahr auf eine Entscheidung des Amtes. Mehr als die Hälfte der etwa 240 000 Ende April dort anhängigen Verfahren zog sich bereits länger als die sechs Monate hin, die das EU-Recht im Regelfall dafür vorsieht.
Asylrichter brauchen in manchen Bundesländern fast drei Jahre für einen Fall
Richtig in die Länge jedoch zieht sich der Prozess anschließend vor den Asylkammern der Verwaltungsgerichte. Wenn abgelehnte Asylbewerber gegen ihre Bamf-Entscheidung klagen, was zwar nicht alle machen, aber die meisten von ihnen, dann dauert das. Zuletzt, in den ersten vier Monaten dieses Jahres, kam es im Schnitt erst nach fast eineinhalb Jahren zu einer gerichtlichen Entscheidung. Immerhin: 2023 hatten sich solche Verfahren durchschnittlich noch fast über 21, im Jahr davor gar über 26 Monate gezogen.
Wer die Verfahrensdauern verkürzen will, muss also vor allem in den Gerichten ansetzen. Für deren Ausstattung sind die Bundesländer zuständig – und die vom Bundesinnenministerium gelieferten Zahlen deuten an, dass es damit nicht überall im Land gleich gut klappt. Im Gegenteil: Je nach Bundesland unterscheiden sich die Verfahrensdauern erheblich. Eilten die Asylrichter in Rheinland-Pfalz zuletzt in durchschnittlich weniger als sechs Monaten zu ihren Entscheidungen, brauchten ihre Richterkollegen in Hessen dafür im Schnitt 32 Monate. Das kann unter anderem auch daran liegen, wer wo klagt: Über zumeist aussichtslose Klagen von Asylbewerbern aus Balkanstaaten ist deutlich schneller entschieden als über die oft komplizierten Fälle iranischer Flüchtlinge, die im Schnitt mehr als zwei Jahre auf ein Urteil warten müssen.
Bei Bewerbern aus bestimmten Ländern geht es ganz fix
Ganz fix dagegen geht es inzwischen mit Asylbewerbern aus gesetzlich als sicher eingestuften Herkunftsstaaten und aus anderen Ländern mit einer niedrigen Asyl-Anerkennungsquote. Das sind neben den Staaten Südosteuropas vor allem Georgien und die Maghrebstaaten Algerien, Marokko und Tunesien. Erst im November hatten Bund und Länder sich das Ziel gesetzt, für Bewerber aus solchen Staaten die Asyl- und anschließenden Gerichtsverfahren innerhalb von jeweils drei Monaten abzuschließen.
Dieses Ziel, so zeigen die aktuellen Zahlen, ist weitgehend erreicht. In solchen Fällen hat das Bamf durchschnittlich schon in eineinhalb bis drei Monaten einen zumeist ablehnenden Bescheid formuliert, und auch die Gerichte entscheiden in Fällen, die das Amt als „offensichtlich unbegründet“ ansieht, in nur zwei bis drei Wochen. Die Linke Bünger äußert freilich „die große Sorge“, dass „bei den pauschal zu sicheren Herkunftsstaaten erklärten Ländern nicht mehr genau hingeschaut“ werde: „Asylverfahren lassen sich auch ohne Einschränkungen der Rechte von Asylsuchenden beschleunigen.“