Asylstreit:Nahles fordert CSU auf, wieder zur Vernunft zu kommen

Andrea Nahles bewertet EU-Gipfel zur Migrationspolitik

SPD-Chefin Andrea Nahles ruft die CSU zur Räson.

(Foto: dpa)
  • Am Sonntag debattieren CSU und CDU in getrennten Sitzungen über die Ergebnisse des EU-Gipfels.
  • Reichen die geplanten europäischen Maßnahmen aus, um Innenminister Seehofer von einem nationalen Alleingang in der Asylpolitik abzuhalten?
  • Die Unionsmitglieder bewerten die Ergebnisse des Gipfels unterschiedlich.

Beim EU-Gipfel in Brüssel hat Kanzlerin Angela Merkel mit den europäischen Partnern eine Einigung in der Migrationsfrage erstritten. Lässt sich der Unionspartner damit im Asylstreit besänftigen? Bislang ist aus den Reihen der CSU ein grundsätzliches Wohlwollen zu den Plänen zu hören. Ob die von Merkel vereinbarten Maßnahmen (lesen Sie hier die Details) allerdings reichen, Innenminister Horst Seehofer von seinem nationalen Alleingang in der Flüchtlingspolitik abzuhalten, ist keineswegs gewiss.

Vor den getrennten Sitzungen von CDU und CSU am Sonntag herrscht Unsicherheit bei allen Parteien. Einige Politiker sehen die Regierungskrise durch die geplante Änderung des Asylgesetztes abgewendet, andere schicken mahnende Worte nach Berlin und München.

SPD und FPD klagen an

Die Beschlüsse des EU-Gipfels werden von der SPD-Führung grundsätzlich unterstützt. "Wir begrüßen das", sagte Vorsitzende Andrea Nahles (SPD). Zu den geplanten Flüchtlingszentren stellte sie klar, dass diese keine "geschlossenen Einrichtungen" sein dürften. Von der CSU erwarte Nahles ein Einlenken im unionsinternen Streit. Sie fordere die CSU auf, auf Basis der Ergebnisse "die Instrumentalisierung dieses Themas jetzt einzustellen und wieder zur Vernunft zu kommen."

FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff ist sich da nicht sicher. "Ich kenne in Berlin niemanden, der es noch wagt, Prognosen über das Verhalten der CSU abzugeben", sagte er der Welt.

Aus Sicht von Parteichef Christian Lindner (FDP) hat der Gipfel nur "luftige Ankündigungen" gebracht. Die CSU sei "krachend gescheitert" mit dem Versuch, mittels Drohungen eine echte Wende in der Migrationspolitik herbeizuführen, sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung.

CSU sendet unterschiedliche Signale

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) begrüßt die Beschlüsse und fordert die Regierung zum handeln auf. "Natürlich ist das, was in Brüssel erreicht wurde, mehr als ursprünglich gedacht", sagte er vor dem Bezirksparteitag in Heroldsbach. Die Ergebnisse gingen in die richtige Richtung. Ohne den Druck der CSU und des Freistaats wären die Gipfelbeschlüsse jedoch nicht zustande gekommen: "Bayern hat da sehr viel bewegt." Abschiebungen müssten konsequenter angegangen werden, an der Grenze müsse man vernünftig operieren können. Eine detaillierte Bewertung der EU-Ergebnisse und die weitere Marschrichtung werde man am Sonntag im CSU-Parteivorstand diskutieren, so Söder.

Landesgruppenchef Alexander Dobrindt (CSU) pocht weiter auf ein unilaterales Vorgehen. Im Gipfelpapier seien "klar nationale Maßnahmen zur Bekämpfung der Sekundärmigration innerhalb Europas vorgesehen",sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der Europäische Rat habe den Kurs der CSU "bestätigt, europäische Lösungen und nationale Maßnahmen zu verbinden", so Dobrindt. "Wir sind bereit das aufzugreifen."

Der CSU-Vizevorsitzende Manfred Weber dagegen lobt Merkel ausdrücklich ("Sie hat geliefert" ), sieht aber die Gefahr bei dem Streit noch nicht gebannt. "Die Kuh ist noch nicht vom Eis", sagte er dem Münchner Merkur. Der EU-Gipfel sei "ein großer Schritt". Er gab zu bedenken, dass die Brüsseler Absichtserklärungen noch in konkrete Vereinbarungen umgesetzt werden müssen. "Wir müssen schon noch weiter dranbleiben. Und wenn dann der Bundesinnenminister, der CSU-Chef da weiter Druck macht, dann ist das auch in Ordnung", sagte er in den Tagesthemen.

Der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel sagte der Augsburger Allgemeinen: "Das bietet eine gute Grundlage für eine gemeinsame Lösung im Unionsstreit, in dem jede Eskalation selbstzerstörerisch wäre.

CDU stellt sich hinter Kanzlerin

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) etwa warnt die CSU-Spitze vor einseitigen Lösungen. Es gebe "überhaupt keinen Grund für nationale Alleingänge", sagte er der Funke Mediengruppe. "Die Ergebnisse des EU-Gipfels sind absolut ausreichend, um wieder zusammenzukommen in der Union." Zudem forderte er Seehofer auf, seinen sogenannten Masterplan zur Asylpolitik endlich vorzustellen.

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) lobt die Gipfel-Vereinbarungen. "Ein solches Ergebnis war vor Wochen nicht zu erwarten gewesen", sagte er im Interview mit der Rheinischen Post.

Der innenpolitische Fraktionssprecher Mathias Middelberg (CDU) nannte die Gipfelergebnisse "eine gute Grundlage für eine Einigung zwischen CDU und CSU".

Dass die Union die das Wochenende überleben wird, ist für den CDU-Vize Thomas Strobl außer Frage. In der Rhein-Neckar-Zeitung sagte er: "Wir müssen jetzt besonnen und klug handeln. Und insgesamt müssen wir freilich in einen stabilen Regierungsmodus kommen."

Innenminister Seehofer hatte vor zwei Wochen angekündigt, Deutschland werde zukünftig Migranten an der Grenze abweisen, sofern sie bereits in einem anderen EU-Land registriert sind. Bundeskanzlerin Merkel hatte einen nationalen Alleingang abgelehnt und auf eine europäische Lösung gepocht. Nach dem EU-Gipfel sagte sie am Freitag die beschlossenen Maßnahmen sowie die getroffenen bilateralen Vereinbarungen seien "mehr als wirkungsgleich" zu den von Seehofer geforderten Zurückweisungen. Der Innenminister hat sich bislang nicht öffentlich zu den Gipfel-Ergebnissen geäußert.

Am Sonntag kommen Vorstand und Bundestagsabgeordnete der CSU um 15 Uhr in München zusammen, die Gremiensitzungen der CDU beginnen um 17 Uhr. Gegen 14 Uhr ist die Aufzeichnung von Merkels ZDF-Sommerinterview geplant. Viele rechnen deshalb mit einer Einigung der Unionsspitze am frühen Nachmittag. Während sich die Parteien noch sortieren, hat Kanzlerin Merkel ihre Koalitionspartner in einem Schreiben über den Stand der Verhandlungen in Sachen Flüchtlingsrückführung informiert. Am Montag soll in einer gemeinsamen Fraktionssitzung über die Vereinbarungen des EU-Gipfels beraten werden.

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