Umgang mit Flüchtlingen in Erding:Grüner Politiker kritisiert restriktive Asylpolitik - CSU-Landrat zieht vor Gericht

Erdings Landrat Martin Bayerstorfer

Unnachgiebig: Erdings Landrat Martin Bayerstorfer.

(Foto: Stephan Goerlich)
  • Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) und Kreisrat Stephan Glaubitz (Grüne) streiten sich über die Auslegung des Asylrechts im Landkreis Erding.
  • Nun ist der CSU-Politiker vor Gericht gezogen. Glaubitz solle seine "falschen und ehrenrührigen Behauptungen" zurücknehmen und korrigieren.
  • Sollte Glaubitz den Prozess verlieren und die Kosten dafür tragen müssen, sei das existenzbedrohend, sagt dessen Anwalt. Er wirft dem Landrat vor, einen Asylkritiker zum Schweigen bringen zu wollen.

Von Bernd Kastner

Wenn zwei sich streiten und nicht mehr aufhören, landen sie vor Gericht. So weit, so normal. Wenn sich demnächst aber Martin Bayerstorfer und Stephan Glaubitz vor dem Landgericht Landshut treffen, wirft dies generelle Fragen auf: Soll mit einem Zivilprozess ein politischer Gegner mundtot gemacht werden? Und hat das bundesweit Signalwirkung?

Sie streiten nicht über die Farbe eines Gartenzaunes, sondern über die Umsetzung der bayerischen Asylpolitik durch das Landratsamt Erding. Dessen Chef als Landrat ist CSU-Mann Bayerstorfer, er gilt als asylpolitischer Hardliner. Sein Kontrahent Glaubitz sitzt für die Grünen im Kreistag des oberbayerischen Landkreises, ehrenamtlich, von Beruf ist er Kontrabassist - und politisch widerspricht er dem schwarzen Landrat gerne. Nun hat dieser den Kreisrat verklagt, auf dass er angeblich falsche und ehrenrührige Behauptungen zurücknehme und korrigiere; der Anwalt des Landrats hat dafür einen gerichtlichen Streitwert von mehr als 91 000 Euro taxiert. Darin sieht wiederum der Anwalt des Beklagten, der ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete Jerzy Montag, den Versuch, einen Kritiker der Asylpolitik "ökonomisch in die Knie (zu) zwingen" und zum Schweigen zu bringen.

Der Streit begann im Kreistag, verlagerte sich dann ins Internet. Im Kern wirft der Grüne dem Amt des schwarzen Landrats vor, viel zu restriktiv zu sein, wenn es um Arbeitserlaubnisse für Flüchtlinge geht, das zerstöre viel Integrationspotenzial. Glaubitz kritisierte scharf, mitunter sachlich nicht korrekt, weshalb er, durchaus einsichtig, eine Unterlassungserklärung unterschrieben und auf zwei Seiten recht unpolemisch seine Kritik korrigiert und neu formuliert hat, Titel: "So ist es richtig!" An einigen Passagen stört sich der Landrat weiterhin, weshalb er Richtigstellungen und Unterlassung fordert, zum Beispiel so: Bei einem bestimmten amtlichen Schreiben an arbeitswillige Flüchtlinge handele es sich "nicht um einen behördlichen Zwischenbescheid', sondern um die Anhörung durch die Ausländerbehörde im laufenden Verwaltungsverfahren".

Anwalt Montag hat gerechnet und ist auf ein Prozesskostenrisiko von bis zu 45 000 Euro für seinen Mandanten gekommen, sollte er in dritter Instanz verlieren. Das sei existenzbedrohend. Außerdem gehöre solch ein Streit um Worte nicht ins Gericht, schließlich sei so ein Hin und Her Alltag in kommunalen Parlamenten. Würden scharfe Worte wie die von Glaubitz untersagt, könnte dies zum politisch-juristischen Modell werden, ehrenamtliche Politiker einzuschüchtern.

Landrat Bayerstorfer kontert: Montag schieße "völlig über das Ziel hinaus". Er, der Landrat, stelle sich vor seine Mitarbeiter und wolle keine Meinung verbieten, sondern gehe allein gegen "erfundene Tatsachenbehauptungen" vor. Diese könne sein Gegner jederzeit zurücknehmen und so jedes Risiko vermeiden. Es gehe auch nicht um Debattenbeiträge im Kreistag mit Rede und Gegenrede, sondern um private Äußerungen.

Tätig wird das Gericht auf Antrag des Freistaats Bayern, dieser ist formal Kläger. Steht, fragt Montag, die CSU-dominierte Staatsregierung hinter der Attacke? Den Landtags-Grünen versichert die Staatsregierung, sie habe erst durch deren Anfrage erfahren, dass in ihrem Namen ein Asylkritiker verklagt wird. Man sehe aber "keine Veranlassung", einzugreifen und die Klage zurückzunehmen, das zuständige Amt habe korrekt gehandelt. Immerhin fühlten sich Mitarbeiter im Landratsamt beleidigt.

Und der Streitwert, an dem sich Anwalts- und Gerichtsgebühren ausrichten? Der sei, betont der Landrat, nur ein "Vorschlag". Zu entscheiden habe das Gericht. Und so geht es am 5. Februar in Landshut um Worte, deren Wert und deren Preis. Dieser könnte Maßstäbe setzen, wie sehr kritische Geister künftig abwägen, ehe sie sagen oder schreiben, was sie meinen.

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