Flüchtlingskrise:"Wir sind am Limit"

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Ankunft von Flüchtlingen am Hauptbahnhof München. (Foto: dpa)
  • Angesichts anhaltend hoher Flüchtlingszahlen werden auch in der SPD Stimmen laut, die eine Eindämmung des Zustroms von Menschen in die EU fordern.
  • Der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) bringt Zäune entlang der deutschen Grenze ins Gespräch. Ministerpräsident Seehofer erteilte dieser Forderung eine Absage.

Von Daniela Kuhr, Nico Fried und Wolfgang Wittl, Berlin

Die anhaltend hohen Flüchtlingszahlen lassen in Deutschland den Ruf nach einer Kursänderung in der Asylpolitik lauter werden. Nachdem bisher vor allem die CSU auf eine Eindämmung des Zustroms gedrängt hatte, fordert nun ein erstes Mitglied der SPD-Fraktionsspitze ein Ende der ungesteuerten Zuwanderung. "Wir sind am Limit", sagte Vizefraktionschef Axel Schäfer der Süddeutschen Zeitung. "Die EU-Außengrenzen müssen möglichst dichtgemacht, das heißt gesichert und kontrolliert werden." Alle europäischen Länder müssten für diesen "Kraftakt" zusammenarbeiten. "Eine ungesteuerte Zuwanderung wird sonst für Flüchtlinge, Behörden und die Bevölkerung nicht mehr tragbar."

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Damit steigt in der Koalition der Druck auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie setzt bislang darauf, dass die Zahl der Flüchtlinge hierzulande verringert werden kann, indem in Griechenland und Italien Aufnahmezentren, sogenannte Hot Spots, eingerichtet werden. Diese werden aber frühestens im November in Betrieb genommen werden können. Zudem sollen die Fluchtursachen bekämpft und die Türkei zu einer Steuerung der Migrationsbewegungen ermuntert werden. Beide Instrumente dürften aber keine schnellen Ergebnisse hervorbringen.

Auch in der CDU wächst die Unruhe

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte die Zahl der im September nach Deutschland eingereisten Flüchtlinge mit bis zu 280 000 angegeben. Der SPD-Politiker Schäfer sagte, wenn eine vergleichbare Zahl von Personen auch im Oktober ankomme, "müssen wir die weiße Fahne hissen". Die Bürger behielten "nur dann Vertrauen in Politik, wenn der Staat handlungsfähig bleibt".

Auch in Angela Merkels Partei wächst die Unruhe. Unions-Fraktionsvize Michael Kretschmer (CDU) forderte Schritte einzuleiten, um die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren. "Wir sind kurz vor dem Punkt, an dem die Länder und Kommunen sagen, es geht nicht mehr", sagte er dem Spiegel. "Wir werden nicht anders können, als den Zustrom zu begrenzen."

Söder fordert Grenzzäune - Seehofer widerspricht

Derweil bricht auch in der CSU ein Streit über den weiteren Kurs in der Flüchtlingspolitik aus. Nachdem Bayerns Finanzminister Markus Söder Schutzzäune an der deutschen Grenze ins Gespräch brachte, rief Ministerpräsident Horst Seehofer ihn zur Ordnung. "Ich bin für Zuzugsbegrenzung, aber Schutzzäune wird es mit Bayern nicht geben", sagte Seehofer der SZ. "Schon gar nicht an der bayerischen Grenze, aber auch nicht in Europa."

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Söder dagegen warnte, derzeit wisse man nicht, "wer ins Land kommt". Zwar gebe es gewisse Kontrollpunkte an den Grenzstraßen, aber viele Flüchtlinge kämen über unwegsames Gelände ins Land, über die sogenannte Grüne Grenze. " Und deshalb müssen wir auch über Grüne Grenzkontrollen an der deutschen Grenze nachdenken", sagte Söder. "Ob das am Ende Zäune, Patrouillen oder andere Formen von Grenzkontrollen sind, muss man dann sehen." Wenn die EU-Außengrenzen nicht geschützt würden, müsse "eine deutsche Regierung auch darüber nachdenken, wie sie die deutschen Grenzen schützt".

Seehofer betonte, die Politik werde "Rechtsstaatlichkeit gewährleisten. Der bayerische Weg hat sich immer durch Maß und Mitte ausgezeichnet, nicht durch Extreme", sagte der CSU-Chef.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte derweil im Bundestag, das bisherige Asylsystem sei nicht "auf einen solchen Andrang eingerichtet" gewesen. Man habe sich inzwischen aber "auf die aktuelle Lage eingestellt", sagte de Maizière am Donnerstag beim Einbringen von Asylrechtsänderungen ins Parlament. "Ob das reicht, wird man sehen."

© SZ vom 02.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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