Süddeutsche Zeitung

Asylpolitik:CDU irritiert von Seehofers "Brachialgewalt"

  • In der CDU herrscht Verwunderung darüber, "mit welcher Brachialgewalt" CSU-Chef Horst Seehofer seine Forderung nach einer Obergrenze bei der Flüchtlingszahl anbringt.
  • Der neue Streit kommt ausgerechnet zu einer Zeit, in der die Umfragewerte der Union gerade wieder besser werden.

Von Robert Roßmann, Berlin, und Wolfgang Wittl

CSU-Chef Horst Seehofer hat mit seiner Ankündigung, in die Opposition zu gehen, wenn nach der Bundestagswahl keine Obergrenze für die Zahl der Flüchtlinge im Koalitionsvertrag vereinbart werde, in der CDU Unmut ausgelöst. In der CDU-Spitze hieß es am Donnerstag, es sei kaum noch nachvollziehbar, "mit welcher Brachialgewalt" Seehofer für die Obergrenze kämpfe. Eine Obergrenze für Flüchtlinge sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, außerdem sei das Thema angesichts der erheblich zurückgegangenen Zahl an Asylbewerbern derzeit praktisch nicht relevant.

In der CDU wurde bedauert, dass wegen Seehofers Vorstoß die Union nun wieder als zerstritten erscheine. Das schade der CDU und sei auch deshalb ärgerlich, weil die Umfragewerte für die Union gerade wieder steigen würden. Um den Streit nicht weiter zu befeuern, vermied die CDU-Spitze aber öffentliche Kritik an Seehofer.

Der CSU-Chef hatte am Mittwochabend in der ARD gesagt: "Wir werden zu einer Begrenzung, auch zu einer Obergrenze kommen." Die CSU werde dafür sorgen, dass dies in der kommenden Legislaturperiode "in die Regierungspolitik Einzug hält". Auf die Frage, ob er 2017 in die Opposition gehen werde, wenn im Koalitionsvertrag keine Obergrenze stünde, antwortete Seehofer: "Sie haben das gut verstanden, ja." Die CSU gebe der Bevölkerung die Garantie, dass in die Bundesrepublik Deutschland jährlich nur "etwa 200 000 Menschen kommen können, als Bürgerkriegsflüchtlinge, als Asylbewerber".

Ähnlich, aber nicht ganz so deutlich, hatte sich Seehofer schon Ende November in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen erklärt. Das hatte bereits für erheblichen Ärger in der CDU gesorgt. Dass der CSU-Chef seine Drohung jetzt sogar verschärft wiederholt hat, erschwert die von Merkel und Seehofer eigentlich geplante Annäherung ihrer beiden Parteien.

Führende CSU-Politiker unterstützten am Donnerstag Seehofers Forderungen. "Wir brauchen ein Signal für die Zukunft, dass es nicht wieder zu einer Situation wie im vergangenen Jahr kommt", sagte die stellvertretende bayerische Ministerpräsidentin Ilse Aigner. Die Obergrenze sei Kern der Glaubwürdigkeit der CSU, betonte Bayerns Finanzminister Markus Söder: "Daran werden wir gemessen, da darf es keine falschen Kompromisse geben." Er halte Seehofers Kurs daher für "absolut richtig".

Andere CSU-Politiker bewerteten Seehofers Auftritt dagegen als kontraproduktiv. Sie bezweifelten, dass Merkel sich im Streit um die Obergrenze von Seehofer erpressen lassen werde. Und nicht nur die CDU, sondern auch jeder weitere mögliche Koalitionspartner werde sich nicht auf die Forderungen einlassen. Der CSU-Chef will dieses Argument aber nicht gelten lassen. Er bekräftigte am Donnerstagabend seine Äußerungen aus dem Gespräch mit der ARD. Seehofer sagte, er habe "schon viele Neins aus Berlin gehört, es kam immer anders, hier wird es wieder so sein". Außerdem überlege er sich "vorher und zwar sehr lange", welche Aussagen er treffe.

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SZ vom 16.12.2016/stein
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