Asylpolitik:Innenministerium stoppt Abschiebung von Uiguren nach China

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Die muslimischen Uiguren werden in China zunehmend entrechtet.

(Foto: Kevin Frayer/Getty)
  • Bis auf Weiteres werden keine Uiguren oder Angehörige anderer muslimischer Minderheiten mehr nach China abgeschoben.
  • Dies hat das Bundesinnenministerium beschlossen.
  • Bundestagsabgeordnete Margarete Bause kritisiert in der SZ, dass die "höchst dramatische Lage" den Behörden "seit Monaten bekannt" sei.

Von Christoph Giesen, Peking, und Josef Wirnshofer, München

Ein Fall, wie er nicht mehr vorkommen soll: In den Morgenstunden des 3. April 2018 wurde ein 22-jähriger Uigure aus München nach China abgeschoben - obwohl das Verfahren des jungen Mannes noch lief. Er hatte einen Asylfolgeantrag gestellt. Seine Anhörung war für denselben Tag angesetzt, nur ein paar Stunden, nachdem er in Gewahrsam genommen worden war. Die zuständige Ausländerbehörde in München gibt an, eine entsprechende Mitteilung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) über den Folgeantrag nicht erhalten zu haben. Ein Kommunikationsfehler.

Nun sollen Uiguren und Angehörige anderer muslimischer Minderheiten bis auf Weiteres nicht mehr nach China abgeschoben werden. Das teilte das Bundesinnenministerium auf eine schriftliche Anfrage der grünen Bundestagsabgeordneten Margarete Bause mit. Zur Lage der Uiguren sei "erst kürzlich vom Länderanalysereferat des Bamf eine diesbezügliche Länderinformation erstellt" worden, schreibt das Ministerium in seiner Antwort.

"Die menschenrechtlich höchst dramatische Lage, die die neue Länderinformation des Bamf unterstreicht, ist den maßgeblichen deutschen Stellen seit Monaten bekannt", sagt Bause der Süddeutschen Zeitung. "Dass die bayerischen Behörden im vergangenen April den Uiguren in einer Nacht- und Nebelaktion nach China abschoben, ist skandalös".

Das Auswärtige Amt warnt vor Reisen in die Uiguren-Region

Die Uiguren sind ein muslimisches Turkvolk. Ihre Heimat ist Xinjiang, eine Autonome Region im Nordwesten Chinas. Sie sind dort schweren Repressionen durch die Kommunistische Partei ausgesetzt und werden permanent überwacht. Ein Reisehinweis auf der Website des Auswärtigen Amts in Berlin warnt seit Kurzem: "In Xinjiang kommt es seit Monaten vermehrt zu Verhaftungen und Passentzug. Betroffen sind insbesondere Personen uigurischer Abstammung".

Seit Ende August 2016 hat Xinjiang einen neuen Parteichef, Chen Quanguo, ein Law-and-Order-Politiker, der zuvor in Tibet gedient hat. Unter Chens Führung hat sich die Sicherheitslage noch einmal deutlich verschärft. So werden etwa sämtliche Autos per GPS überwacht, Tankstellen sind verbarrikadiert, Benzin bekommt nur, wer sein Gesicht scannen lässt. Bei Straßenkontrollen überprüft die Polizei immer häufiger das Smartphone, die Daten werden gespeichert und eine App wird installiert, die automatisch feststellt, ob man verbotene Videos angesehen hat.

Seit eineinhalb Jahren entstehen in Xinjiang zudem sogenannte Umerziehungslager, in denen vor allem Uiguren festgehalten werden. Experten gehen derzeit von mehreren Hunderttausend, bis hin zu einer Million Insassen aus.

Verschiedene Zahlen legen nahe, dass Xinjiang zu einem Polizeistaat umgebaut wird. So wurden in den ersten vier Monaten von Chens Amtszeit etwa 30 000 neue Polizeistellen ausgeschrieben. Sein Vorgänger hatte in den acht Monaten davor nur 900 neue Sicherheitskräfte gesucht. 2017 wurden knapp 100 000 weitere Stellen geschaffen, hinzu kommen Zehntausende private Sicherheitsleute und Türsteher, die Restaurants und Läden bewachen müssen.

Der erste Asylantrag des aus München abgeschobenen Uiguren war 2016 abgelehnt worden. Er war nach Einschätzung des Bundesamts mit einem gültigen Reisepass aus China ausgereist und mutmaßlich nicht verfolgt worden. Der Mann selbst hatte angegeben, die chinesischen Behörden hätten ihm Beteiligung an Unruhen im Jahr 2009 und Mord vorgeworfen. Wo sich der Mann derzeit befindet, ob er überhaupt noch lebt, ist unbekannt. Die chinesischen Behörden beantworteten keine Anfragen dazu.

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