Süddeutsche Zeitung

Asylpolitik in Österreich:Sonderbetreuung auf der Saualm

Schlechtes Essen, zugenagelte Klos, keine Ansprache: Wieder mal gerät ein Heim für Asylbewerber hoch auf den Kärntner Bergen ins Gerede - und dazu gleich die gesamte österreichische Flüchtlingspolitik

Cathrin Kahlweit

Die Saualm: ein "sanfter Almrücken" in den Kärntner Alpen, der sich vom Klippitztörl bis zum Drautal erstreckt. So sieht es die Fremdenverkehrswerbung. Für Flüchtlinge ist es eine "Sonderbetreuungsanstalt für mutmaßlich kriminelle Asylbewerber" auf mehr als 1200 Metern Höhe, erfunden und durchgesetzt kurz vor seinem Tod 2008 vom damaligen Landeshauptmann Jörg Haider.

Seit ihrer Einrichtung ist die Saualm in Österreich Sinnbild für den problematischen Umgang mit Asylbewerbern in Kärnten, an dem sich immer wieder eine grundsätzliche Debatte festmacht. Und es wird wieder heftig gestritten, über die Zustände auf der Alm, über die Unterbringung von Flüchtlingen in Österreich generell, über die Grundversorgung, über Zuständigkeiten.

Das liegt zum einen an neuen erschreckenden Berichten aus dem südlichen Bundesland. Köchinnen, Sicherheitsleute, ein Pfarrer hatten sich darüber beklagt, dass die Asylbewerber, die in alpine Höhe eingewiesen wurden, weil sie nach Ansicht des Landes die öffentliche Sicherheit gefährden, mangelhaft ernährt und schlecht betreut würden. Sie hätten keine Ansprache, keine medizinische Versorgung, Heizungen seien abgedreht, "Toiletten zugenagelt".

In einem weiteren Asylbewerberheim in Wernberg, das berichtete am Mittwoch der Standard, hausten Familien in verschimmelten, abbruchreifen Quartieren. In beiden Fällen ließ das zuständige Flüchtlingsreferat wissen, man habe keine Kenntnis von Missständen; den Kontrolleuren sei nichts Negatives aufgefallen. Man werde das aber überprüfen.

Landeshauptmann Gerhard Dörfler (Freiheitliche in Kärnten) nennt die Kritik an der Unterbringung von Flüchtlingen in seinem Bundesland "Geschwafel", es gebe schließlich "keine Fünf-Sterne-Betten für Asylbewerber". Dass die Saualm meist stark unterbelegt ist, die Betreiberin aber Landesgelder für eine Vollbelegung zu einem erhöhten Satz erhält, was auch der Rechnungshof schon beanstandet hatte, ist für ihn ebenso wenig ein Thema wie die grundsätzliche Frage, ob "mutmaßlich Kriminelle" in dem einstigen Kinderheim sinnvoll untergebracht seien.

Selbstkritik vonseiten der Kärntner Politik ist also nicht in Sicht. Außerdem ist Fremden der Zutritt zum Heim verboten, weil es privat betrieben wird; auch karitative Organisationen, Oppositionspolitiker oder Journalisten sind nicht zugelassen. Als der grüne Abgeordnete Rolf Holub die Alm und ihre Bewohner besuchten wollte, wies ihn die Landesregierung ab. Da er keine Behörde vertrete und "auch sonst kein wichtiger Grund für einen Besuch des Asylquartiers" zu erkennen sei, sehe man sich außerstande, eine Besuchserlaubnis auszustellen.

Missstände, so sie bestehen, könnten also nur die lokalen Behörden selbst aufdecken. Die aber sehen keine. Einzig das UNHCR, das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, hat überall Zugang. Allerdings habe man von der Saualm keine neueren Informationen, sagt Pressesprecherin Ruth Schöffl; das Heim in Wernberg kenne man nicht, habe aber Kontakt mit den Behörden aufgenommen.

Was das UNHCR an der Saualm besonders stört, ist weniger die Ausstattung, die sei in Ordnung, es sind zwei andere Probleme. Wer dort als "mutmaßlich" gefährlich untergebracht werde, stehe unzulässig unter Generalverdacht; außerdem würden aufgrund fehlender Kapazitäten dort auch junge Menschen eingewiesen, für die anderswo kein Platz sei. Die fänden sich dann plötzlich mitten auf dem Berg, "fernab von der Zivilisation, sozusagen".

Zu dieser Debatte tritt nun, wegen der fehlenden Kapazitäten in vielen Bundesländern, ein Streit in Wien hinzu zwischen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ). Weil bis auf zwei Bundesländer alle anderen ihre Unterbringungsquote nicht einhalten und viel weniger Flüchtlinge aufnehmen als vertraglich vereinbart, hatte die Ministerin einen Drohbrief an die Länder geschrieben.

Die mangelnde Kooperation sei ein Skandal, und mit dem Bürgerkrieg in Syrien würden zahlreiche Flüchtlinge nach Österreich streben, für die es zusätzlicher Betreuungsmöglichkeiten bedürfe. Außerdem schlug sie Darabos vor, man könne Flüchtlinge in leer stehenden Kasernen unterbringen, wie es in anderen EU-Staaten durchaus üblich sei.

Darabos sagte nein. Es wäre ein "Armutszeugnis, vor den Ländern zu kapitulieren", sagt sein Sprecher Stefan Hirsch. Die Innenministerin sei schließlich dafür verantwortlich, die Vereinbarung mit den Ländern "durchzuziehen". Mikl-Leitners Pressesprecher Hermann Muhr kontert, da werde ein Konflikt auf dem Rücken der Flüchtlinge ausgetragen; leider sei es die "Kraft des Faktischen", dass die meisten Bundesländer ihre Quote trotz deutlicher Worte der Ministerin nicht erfüllten - und im Falle der syrischen Flüchtlinge könne man sich nicht "aufs Hoffen verlassen". Mittlerweile hat sich Bundeskanzler Werner Faymann eingeschaltet und wissen lassen, man werde die Kasernen-Option prüfen.

Unbeantwortet bleibt - neben dem heftig ausgetragenen Koalitionsstreit um die Zuständigkeiten bei der Unterbringung von Asylbewerbern - weiter die Frage nach zivilgesellschaftlichen Kontrollen der Asylbewerberheime. Nichtregierungsorganisationen, aber auch Oppositionspolitiker wie Rolf Holub in Kärnten finden, es könne nicht angehen, dass die Bezirkshauptmannschaften und die privaten Betreiber von Flüchtlingsunterkünften machen dürfen, was sie wollen. Im Innenministerium verweist man darauf, dass die lokalen Behörden sich strafbar machten, wenn sie Missstände sähen und nicht abstellten. Doch wo kein Kläger, da kein Richter.

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SZ vom 28.07.2012/sekr
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