Süddeutsche Zeitung

Asylpolitik:Große Lücken im Ausländer-Register

  • Der Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung warnt: Mängel im Ausländerzentralregister können zu gravierenden Fehlentscheidungen führen.
  • In der Datei befinden sich anscheinend zahlreiche falsche Angaben zu in Deutschland wohnenden Ausländern.
  • Insgesamt sind in dem Register zehn Millionen Menschen erfasst.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Mängel bei den Personen- und Adressdaten im Ausländerzentralregister können bei Asylverfahren und Abschiebungen "zu teils gravierenden Fehlentscheidungen" führen. Davor warnt der Beauftragte für das Flüchtlingsmanagement der Bundesregierung, Frank-Jürgen Weise, in einer Analyse, die der Süddeutschen Zeitung  vorliegt.

"Fehlerhafte Dateneingaben können Rückkehrprozesse erheblich verlangsamen", heißt es in dem Bericht mit dem Titel "Leitfaden zur Verbesserung der Datenqualität im Ausländerzentralregister". In dem Register sind zehn Millionen Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit erfasst, darunter etwa 5,7 Millionen aus Nicht-EU-Staaten.

"Die Datenqualität war in Teilen bislang nicht gut, weil die Daten nicht ausreichend gepflegt worden sind. Eingaben können sehr fehlerhaft gewesen sein", sagte Weise der SZ. In Einzelfällen seien Daten von 1921 gefunden worden, "von Menschen, die längst nicht mehr am Leben sind, oder von Bürgern, die deutsche Staatsbürger geworden sind und in dem Register eigentlich nicht mehr auftauchen sollten".

Weise, der vorübergehend das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge leitete und Chef der Bundesagentur für Arbeit war, soll im Auftrag des Bundesinnenministeriums dazu beitragen, dass Behörden bei Asylfragen, Abschiebungen und der freiwilligen Rückkehr von Geflüchteten effizienter zusammenarbeiten. Die Daten in dem Register werden von etwa 600 Ausländerbehörden in Deutschland verwaltet.

In dem Leitfaden des Flüchtlingsbeauftragten werden mehrere Fehlerquellen aufgeführt. So seien in der Statistik über ausreisepflichtige Personen zum Beispiel EU-Bürger erfasst, die gar nicht ausreisen müssten. Solche falschen Zuordnungen führten aber "zu einer verzerrten Debatte über den Umgang mit Ausreisepflichtigen", heißt es in der Analyse.

Auch gelangten durch falsche Eingaben von Adressen amtliche Erlasse nicht an den richtigen Empfänger. "Versäumt dieser dann unverschuldet einen Ladungstermin, werden Zeit und Ressourcen der Sachbearbeiter, Dolmetscher und anderer Beteiligter nicht effizient eingesetzt." Durch fehlerhafte Einträge könne es sogar passieren, dass "die falsche Person in den Fokus gerät". Für die Betroffenen sei dies "keine schöne Erfahrung", das Ansehen der Behörden könne so "nachhaltig beschädigt werden". Der Leitfaden, der in Workshops allen Bundesländern vorgestellt wurde, gibt den Ausländerbehörden jetzt Tipps, wie sie die Datenqualität verbessern können. Laut Weises Analyse gibt es hier noch große Mängel: Bislang würde jede Behörde die Daten "ohne klar definierte Qualitätsstandards" und ohne "einheitliche Vorgehensweisen" aktualisieren und ergänzen.

"Es ist nun vor allem Ländersache, Unplausibilitäten im Datenbestand zu entfernen", sagte der Flüchtlingsbeauftragte. Er räumte aber ein, dass es für die einzelnen Ausländerbehörden schwierig sein könne, hier Prioritäten zu setzen. "Einerseits gilt es, sich der Datensätze anzunehmen. Andererseits stehen vielleicht gerade Leute vor ihrer Tür und haben ein Anliegen", sagte Weise.

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Quelle:
SZ vom 04.08.2017
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