Süddeutsche Zeitung

Asylpolitik:Die nationale Internationale ist ein Widerspruch in sich

Seehofers peinliche Asyl-Posse provoziert sogar Streit unter denen, die eigentlich beste Freunde sind. Sie ist ein Lehrstück, was passiert, wenn man Europa den Rechtspopulisten überlässt.

Kommentar von Peter Münch, Wien

Nun ächzt auch noch die Alpenachse: Wie bizarr die vom deutschen Innenminister Horst Seehofer vorangetriebene Asylpolitik ist, zeigt sich am besten daran, dass er auch Streit unter denen provoziert hat, die eigentlich beste Freunde sind und das Gleiche wollen. Die Schließung aller nur möglichen Migrationsrouten ist das gemeinsame Mantra von CSU und Österreichs rechter Regierung. Doch Seehofer hat es geschafft, dass sich die vorher stets publikumswirksam gebündelten Abwehrkräfte plötzlich gegeneinander richteten.

Seinen offenbar recht spontan gefassten Plan, all jene bereits registrierten Flüchtlinge nach Österreich zurückzuschicken, die von andern Ländern nicht wieder aufgenommen werden, hat die Regierung von Kanzler Sebastian Kurz zu Recht erbost. Nun hat Seehofer erkennen müssen, dass er seinen Rückführungsplan ohne den Wirt in Wien gemacht hat. Kleinlaut hat er dort eingestehen müssen, dass Österreich nicht verantwortlich gemacht werden kann für Flüchtlinge, die in Drittländern registriert sind.

Peinlich ist das und blamabel, doch lehrreich ist es offenbar nicht. Seehofer will sein Glück nun eben in Italien und Griechenland versuchen - und für den Fall, dass er auch dort nicht landen kann mit seinen Plänen zur raschen Rückführung direkt von den Transitzentren aus, hat er vorsorglich schon einmal Bundeskanzlerin Angela Merkel mit in Haftung genommen. Die angestrebten Vereinbarungen, so erklärt er, seien nämlich "so komplex", dass sie nur von den Regierungschefs vereinbart werden könnten.

Insgesamt kann diese ganze Posse mittlerweile als Lehrstück dafür dienen, was passiert, wenn man Europa jenen Kräften überlässt, die mit vaterländischen Phrasen Politik betreiben. Selbst wenn sich die Rechtspopulisten von Ungarn über München und Wien bis nach Rom gern vereint zeigen, endet ihre Solidarität logischerweise beim Eigeninteresse. Die nationale Internationale ist ein Widerspruch in sich.

Auszahlen könnte sich das Gerangel am Ende dennoch für die allzeit Abwehrbereiten. Denn falls nun jeder in der EU im Eigeninteresse die Grenzen dichtmacht, schafft dies enormen Druck zur kompletten Abschottung nach außen. Europa wird so zur starren Festung.

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Quelle:
SZ vom 06.07.2018/fie
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