Süddeutsche Zeitung

Integration von Asylsuchenden:Geld für Deutschkurse fehlt

  • Seit November 2014 dürfen Asylsuchende unter bestimmten Voraussetzung schon nach drei Monaten Aufenthalt in Deutschland arbeiten. Sprachkenntnisse gelten dabei als "Eintrittskarte" in den Arbeitsmarkt.
  • Doch obwohl die Zahl der Asylsuchenden steigt, steht für entsprechende Sprachkurse immer weniger Geld zur Verfügung.
  • Auch bei Integrationskursen für in Deutschland lebende Ausländer sieht die Bundesagentur für Arbeit in ihrer internen Analyse, die der SZ vorliegt, erhebliche Finanzierungslücken.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Sie kommen aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak und dürfen hier bleiben, obwohl ihr Asylantrag vergeblich war. Ende 2014 lebten 533 000 abgelehnte Asylsuchende in Deutschland, 85 Prozent von ihnen haben "einen dauerhaften oder zumindest befristeten Aufenthaltstitel", heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Ekin Deligöz, etwa weil ihnen in ihrer Heimat die Todesstrafe oder Folter droht.

In Zukunft dürften es eher mehr werden: 2014 zählte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gut 200 000 Asylanträge. In diesem Jahr rechnet die Bundesregierung mit 300 000 Asylbewerbern, mehrere Länder prognostizieren gar 500 000. Trotzdem gibt es für Deutschkurse, von denen auch Flüchtlinge profitieren können, derzeit nicht mehr, sondern weniger Geld.

Seit November 2014 können Asylsuchende mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit (BA) sich bereits nach drei Monaten Aufenthalt eine Arbeit suchen. Für die BA ist dabei klar: "Sprache ist die Eintrittskarte in den Arbeitsmarkt."

So sieht es auch die Wirtschaft. Für Kurse Mittel auszugeben, sei "gut angelegtes Geld, weil viele Asylbewerber hier bleiben werden", sagt Achim Dercks vom Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). Tatsächlich wird der Zugang für Flüchtlinge zum Deutschunterricht gerade erschwert.

Erst hat die Europäische Kommission ihre Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) für Deutschland gekürzt. Dann hat die Bundesregierung ihr ESF-Budget für Sprachkurse von 310 auf 180 Millionen Euro für 2015 bis 2017 reduziert, ohne dass es bislang einen Ersatz aus nationalen Mitteln gibt. Geld für sogenannte "Vorschaltkurse", der erste Schritt auf dem Weg zu Deutsch-Kenntnissen bis zur Stufe A1, ist aus diesem Topf deshalb keines mehr da.

Erhebliche Finanzierungslücken

Die ESF-Mittel wolle die Bundesregierung "auf die Personen konzentrieren, die für eine Förderung berufsbezogener Sprachkenntnisse erforderlichen Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen", heißt es in einer weiteren Antwort auf eine Grünen-Anfrage. Asylbewerber dürften dabei meist leer ausgehen.

2014 nahmen laut den Angaben fast 26 000 Menschen an den vom ESF geförderten Kursen teil. Darunter waren etwas mehr als 4000 Asylsuchende und Flüchtlinge mit Aufenthaltsrecht. Geholfen hat das Programm vor allem Arbeitslosen und Hartz-IV-Empfängern.

Die Bundesagentur schätzt hier die nötigen zusätzlichen Mittel in einem internen Papier auf 100 Millionen Euro pro Jahr, "um den Bedarf von allen Zugangsberechtigten sowie den Asylbewerbern und Geduldeten mit einer hohen Bleiberechtsquote zu decken".

Auch bei den Integrationskursen für in Deutschland lebende Ausländer sieht die BA in ihrer internen Analyse, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, erhebliche Finanzierungslücken: Die Mittel in Höhe von 244 Millionen Euro reichten für 150 000 Teilnehmer. Zusätzlich nötig seien jährlich aber mindestens 300 Millionen Euro, um 80 000 Geduldete und 130 000 Asylbewerber mitaufzunehmen.

Die Bundesagentur fürchtet enorme Folgeausgaben, wenn nichts passiert: Gebe es hier keine Lösungen, "drohen hohe Kosten für die Allgemeinheit, die Beitrags- und die Steuerzahler." Gelinge auf Grund fehlender Sprachkenntnisse nicht der Einstieg in den Arbeitsmarkt, sei die Alternative "häufig dauerhafter Bezug von Arbeitslosengeld II".

Grünen-Haushaltspolitikerin Deligöz sieht dies genauso. "Es ist absurd, die Tür zum Arbeitsmarkt zu öffnen, dann aber unerlässliche Sprach- und Integrationskurse unterfinanziert zu lassen." Sie sagt: "Wir sollten nicht die Fehler der Gastarbeiterzeit wiederholen."

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SZ vom 13.04.2015/gal
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