Asylpaket:Vom "Masterplan" zum Lückentext

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Sogenannte Transitzentren wie hier in Manching sollen die schnelle Abschiebung von Flüchtlingen ermöglichen, deren Asylantrag abgelehnt wurde. (Foto: Stefan Puchner/dpa)

Der Asylkonflikt in der Union ist beigelegt, ein Kompromiss mit der SPD gefunden. Aber was steht im Maßnahmenpaket? Und wie viele Flüchtlinge betrifft es? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Jan Bielicki, München

Der Streit, der CDU und CSU entzweite und die Koalition zu sprengen drohte, ist beigelegt. Doch was bedeutet der am Donnerstagabend geschlossene Kompromiss zum Umgang mit Flüchtlingen an den deutschen Grenzen? Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Worum ging es in dem Streit eigentlich - jenseits grundsätzlicher politischer und persönlicher Animositäten?

Entzündet hat sich die Debatte an einem Teilpunkt eines 63 Punkte umfassenden "Masterplans Migration" von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Er sah vor, mehr Flüchtlinge als bisher "im Rahmen durchgeführter Binnengrenzkontrollen" - und das heißt derzeit: an der Grenze zu Österreich - die Einreise zu verweigern und sie zurückzuweisen. Konkret hatte Seehofer zwei Gruppen von Asylsuchenden im Visier: solche, gegen die ein Einreise- und Aufenthaltsverbot besteht, weil sie etwa schon einmal in ein anderes EU-Mitgliedsland überstellt worden sind und versuchen, in die Bundesrepublik zurückzukehren; und solche, die bereits in einem anderen EU-Staat "einen Asylantrag gestellt haben oder dort als Asylsuchende registriert sind".

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Was sieht der Koalitionskompromiss für diese Menschen nun vor?

Die erste Gruppe kommt in dem Kompromisspapier gar nicht mehr vor. Wer trotz Einreise- und Aufenthaltsverbot an der Grenze erwischt wird, den weist die Bundespolizei zurück. Das hat Seehofer vor gut einer Woche angeordnet - ohne dass dem in der Koalition jemand widersprochen hätte. Für den Umgang mit der zweiten Gruppe hat sich die Koalition auf ein neues Verfahren geeinigt.

Wie soll das ablaufen?

Menschen, die bereits in einem anderen EU-Staat Asyl beantragt haben, sollen künftig "direkt in das zuständige Land zurückgewiesen werden" - aber nur, wenn es mit diesem Land dazu ein Verwaltungsabkommen gibt. Reisen diese Asylsuchenden aus einem EU-Land an, das sich einem solchen Abkommen verweigert, sollen sie an der deutsch-österreichischen Grenze zurückgewiesen werden - "auf Grundlage einer Vereinbarung mit der Republik Österreich". Die gibt es jedoch noch nicht.

Und welche Rolle spielen dabei die viel diskutierten "Transitzentren"?

Keine mehr. Der Begriff tauchte in Seehofers Plan gar nicht auf. Erst der erste Kompromiss, jener zwischen Seehofers CSU und der CDU von Kanzlerin Angela Merkel, kam auf Transitzentren, um zu erklären, wohin es mit Flüchtlingen, denen die Einreise verweigert wurde, gehen sollte, bis sie in den für sie zuständigen EU-Staat überstellt werden könnten. Näher beschrieben wurden diese Zentren aber nicht. Das Koalitionspapier spricht nun stattdessen von einem "Transitverfahren". Die abgewiesenen Flüchtlinge sollen in Gebäuden der Bundespolizei in Grenznähe untergebracht oder gleich in den Transitbereich des Münchner Flughafens gefahren werden. Dort gibt es bereits Unterkünfte für solche Leute, die per Flugzeug kommen und nicht ins Land gelassen werden. Die an der Grenze Abgewiesenen sollen "innerhalb von 48 Stunden" wieder auf dem Weg zurück sein.

Wie viele Flüchtlinge werden denn davon betroffen sein?

Nur bis zu etwa fünf am Tag, sagt Seehofer. Diese Zahlen der Aufgegriffenen hängen allerdings sehr davon ab, wie dicht die Kontrollen sind. Tatsächlich haben deutsche Behörden in den ersten fünf Monaten dieses Jahres für knapp 14 000 Menschen Übernahmeersuchen an andere EU-Staaten gestellt, weil in der europäischen Datei Eurodac gespeicherte Fingerabdrücke belegten, dass sie bereits dort als Asylantragsteller registriert waren, mehr als ein Drittel davon in Italien. Allerdings wurden die wenigsten davon an der Grenze zu Österreich aufgegriffen. Laut Bundespolizei wurden von insgesamt 18 000 bei illegaler Einreise festgestellten Personen nur knapp 5000 im Grenzbereich zu Österreich erwischt. Darunter sind aber nicht nur Asylsuchende, und unter diesen gehören viele zu Gruppen, die dennoch zur weiteren Prüfung einreisen können. Das sind etwa Flüchtlinge, die zwar anderswo in der EU registriert wurden, dort aber keinen Asylantrag gestellt haben.

Was soll mit diesen Leuten passieren?

Bei ihnen sollen auch künftig sogenannte Dublin-Verfahren feststellen, welcher EU-Staat für ihren Asylantrag zuständig ist. Dieses Verfahren soll aber "deutlich" beschleunigt werden. Wer etwa als anderswo registrierter Flüchtling im Inland angetroffen wird, dessen Überstellung soll in einem - nicht geschlossenen - sogenannten Ankunfts-, Entscheidungs- und Rückführungszentrum ("Anker-Zentrum") "in wenigen Tagen" abgeschlossen sein.

Wie wichtig sind dabei die geplanten Abkommen mit anderen EU-Staaten?

Mit ihnen steht und fällt das ganze Konzept. Bislang hat ein EU-Staat zwei Monate Zeit, auf ein Übernahmeersuchen eines anderen Mitglieds zu antworten. Um diese Frist aufzuheben oder nur zu verkürzen, braucht es bilaterale Abkommen. Griechenland hat sich dazu bereit erklärt, Italien aber nicht.

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Kommentar von Stefan Braun

Jan Bielicki Seite 4

© SZ vom 07.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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