Sie wollen die Sache jetzt endlich vom Tisch haben, dieses vermaledeite Asylpaket II. Im November 2015 ist es von den Parteichefs der großen Koalition höchstselbst beschlossen worden. Damals haben Angela Merkel (CDU), Sigmar Gabriel (SPD) und Horst Seehofer (CSU) auf sechs Seiten einem Kompromiss zugestimmt, mit dem zum einen die Flüchtlingszahlen gedrückt, zum anderen den Flüchtlingen geholfen werden soll. Darin enthalten etwa sind der Flüchtlingsausweis, schnellere Verfahren für Asylbewerber mit geringer Bleibeperspektive oder Registrierungszentren.
Im Grunde alles Konsens. Bis auf eine Sache: Über den Familiennachzug für Syrer gibt es komplett unterschiedliche Ansichten. Im Beschlusspapier heißt es dazu unter Punkt C nur: "Zur besseren Bewältigung der aktuellen Situation soll der Familiennachzug für Antragsteller mit subsidiärem Schutz für einen Zeitraum von zwei Jahren ausgesetzt werden. Die erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen schaffen wir noch in diesem Jahr."
Mit "in diesem Jahr" war das Jahr 2015 gemeint. Das ist längst passé. Der Hauptgrund für die Verzögerung: Es ist bis heute nicht klar, ob auch Flüchtlinge aus Syrien unter die Antragsteller mit subsidiärem Schutz fallen sollen.
SPD-Chef Sigmar Gabriel sagt, er habe mit Merkel und Seehofer Anfang November explizit verabredet, Syrer von der Regelung auszunehmen. Merkel äußert sich dazu gar nicht mehr. Die CSU wiederum sieht sich nur gebunden an das, was schwarz auf weiß in dem Beschluss vom 5. November steht. Und da steht nichts von Ausnahmen für Syrer.
De Maizière sorgte für Konfusion
Gestützt wird Gabriels Aussage allerdings durch eine Konfusion, die Innenminister Thomas de Maizière einen Tag nach dem Beschluss ausgelöst hat. Im Deutschlandradio hatte er zur Überraschung auch seiner eigenen Leute und der gesamten Regierung erklärt: "Andere Staaten geben in solchen Lagen auch nur eine Sicherheit für einen Aufenthalt für eine begrenzte Zeit. Und das werden wir in Zukunft mit den Syrern auch tun, indem wir ihnen sagen: Ihr bekommt Schutz, aber den sogenannten subsidiären Schutz - das heißt zeitlich begrenzt und ohne Familiennachzug." Kanzleramtsminister Peter Altmaier hat seinen CDU-Parteifreund umgehend zurückpfeifen müssen.
Die Vermutung liegt nahe, dass einige in der Regierungskoalition die Unterschiede nicht so genau kennen zwischen Asyl, dem Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention und dem schwächeren subsidiären Schutz. In manchen Gesprächen tut sich ein Abgrund an Unwissen über die rechtliche Lage auf. Hier ein wenig Aufklärung:
- Asyl: Das Grundrecht auf Asyl wird Menschen aus dem Ausland gewährt, wenn sie wegen ihrer politischen, religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen verfolgt werden, also gezielt mit staatlicher Bestrafung oder Ausgrenzung rechnen müssen.
- Flüchtling: Die Genfer Flüchtlingskonvention erweitert den Asyl-Begriff. Hier gehört etwa auch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe zu den anerkannten Fluchtgründen. Und: Sie schützt auch jene, die bereits im Ausland sind und wegen ihrer individuellen Asyl- und Fluchtgründe nicht in ihre Heimat zurückkehren können. Der Asyl- und der Flüchtlingsschutz sind in Deutschland rechtlich gleichgestellt. Heißt: Die Aufenthaltsgenehmigung gilt drei Jahre und beinhaltet das Recht auf den Nachzug von direkten Familienmitgliedern: Ehepartner und Kinder. Minderjährige Flüchtlinge können auch ihre Eltern nachholen.
- Subsidiärer Schutz: Nicht unter eine der beiden ersten Kategorien fallen im Allgemeinen Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge. Allerdings waren etwa unter anderem große, bewaffnete Konflikte in der Vergangenheit immer ein Grund für ein Abschiebeverbot. Seit Dezember 2013 hat Deutschland eine Richtlinie der Europäischen Union umgesetzt, nach der diese Abschiebeverbote unter dem Begriff subsidiärer Schutz zusammengefasst sind. Erstmals haben seitdem auch Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge einen eigenen Schutzstatuts. Der wird allerdings zunächst nur für ein Jahr gewährt, kann dann aber verlängert werden. Ein Familiennachzug war bis August 2015 in Deutschland nicht vorgesehen.
Dass der Familiennachzug seitdem auch für subsidiär Schutzbedürftige möglich ist, ist dem Asylpaket I zu verdanken, das eine erste Antwort auf die aufkommende Flüchtlingskrise sein sollte. Unterschrieben hat das Paket auch die CSU.