Asylgesetze:Erster Machtkampf bei Grün-Schwarz

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Die Koalition in Stuttgart, gerade erst im Amt, streitet über ihr Ja zu beschleunigten Abschiebungen in Maghreb-Staaten. Die CDU erhöht vor der Abstimmung im Bundesrat den Druck auf den grünen Regierungschef.

Von Christoph Hickmann und Josef Kelnberger, Berlin/Stuttgart

Der Streit über die Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer wächst sich zur Machtprobe zwischen CDU und Grünen aus - und damit zu einer ernsthaften Belastung der in Baden-Württemberg seit gerade einem Monat regierenden grün-schwarzen Koalition. Vor der entscheidenden Abstimmung am Freitag im Bundesrat legte sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Wochenende weiterhin nicht öffentlich fest, wie er abstimmen wird. Die Landes-CDU erhöhte abermals den Druck, ebenso Bundespolitiker von Union und SPD.

In der Länderkammer soll am Freitag über den bereits vom Bundestag beschlossenen Gesetzentwurf entschieden werden, der Algerien, Tunesien und Marokko als sichere Staaten einstuft. Bereits jetzt haben Menschen aus diesen drei Ländern nur geringe Chancen, in Deutschland Asyl zu bekommen. Mit der Änderung könnten Flüchtlinge aus den drei Staaten schneller abgeschoben werden.

Allerdings sind Union und SPD im Bundesrat auf die Stimmen von mindestens drei der zehn Bundesländer mit grüner Regierungsbeteiligung angewiesen. Mehrere dieser Länder haben schon ein Nein oder eine Enthaltung in Aussicht gestellt. Damit kommt Kretschmann eine Schlüsselrolle zu. Er hatte im Bundesrat bereits der Einstufung der Westbalkan-Staaten als sichere Herkunftsländer zugestimmt und damit die Änderung des Asylrechts ermöglicht, damals noch als Ministerpräsident einer grün-roten Regierung. Im Gegenzug hatte er praktische Erleichterungen für Flüchtlinge erreicht. Trotzdem war er danach innerparteilich kritisiert worden.

Bei einem Vier-Augen-Gespräch an diesem Montag wollen Kretschmann und Thomas Strobl, der stellvertretende Ministerpräsident von der CDU, über die Lage diskutieren. Spätestens in der Kabinettssitzung am Dienstag soll eine Entscheidung fallen. Der Koalitionspartner CDU hat erkennen lassen, dass er eine Enthaltung als Vertrauensbruch werten würde. Strobl, als Innenminister auch zuständig für Migrationsfragen, pocht auf die Formulierung im Koalitionsvertrag, in dem festgehalten wird, Baden-Württemberg werde der Ausweisung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer zustimmen, "falls die entsprechenden hohen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen". In den Koalitionsverhandlungen sei Einverständnis darüber erzielt worden, und seither hätten sich keine neuen Argumente ergeben, sagt Strobl. Offensichtlich stehe Kretschmann nun unter gewaltigem Druck der Bundespartei, die ihm während des Landtagswahlkampfs freie Hand gelassen hatte. Kretschmann beharrt dagegen darauf, ihm gehe es nicht um parteipolitische Erwägungen, sondern um verfassungsrechtliche Erwägungen, da in den Maghreb-Staaten Homosexuelle verfolgt werden.

Neben mehreren Unionspolitikern äußerte sich SPD-Chef Sigmar Gabriel. Er hoffe, dass die Länderkammer das Gesetz am Freitag billigen werde, sagte er. Eine Blockade der Grünen könnte er nicht nachvollziehen.

© SZ vom 13.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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