Asylbundesamt:Hoffnungslos überlastet

Die Schließung des Bremer Bamf löst eine Kettenreaktion aus: Die Integrationsaufgaben sollen Kollegen aus anderen Außenstellen erledigen. Doch die weigern sich.

Von Bernd Kastner

Es ist ein Dominoeffekt, der von Bremen ausgeht. Er bringt immer mehr Steine ins Wanken, bis tief ins Innere des Asylbundesamtes (Bamf). Betroffen ist auch ein Bereich, der bei aller Aufregung um mutmaßlich manipulierte Asylbescheide in der Bamf-Außenstelle Bremen und die Qualität von Schutzentscheidungen fast übersehen wurde: die Integration. Auch dafür ist das Bamf zuständig, und obwohl die Regierung Integration als die große Aufgabe der kommenden Jahre bezeichnet, liegt offenbar auch hier vieles im Argen. So vieles, dass sich Bamf-Mitarbeiter in Bielefeld weigern, überlasteten Kollegen zu helfen - weil sie selbst überlastet seien. Der entsprechende interne Mailverkehr liegt der Süddeutschen Zeitung vor.

Die Bitte der Außenstelle Bielefeld klingt fast flehentlich

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat im Mai die Außenstelle Bremen geschlossen. Zu groß sei der Vertrauensverlust nach Bekanntwerden der dubiosen Vorgänge, über die die ganze Republik aufgeregt diskutiert. Betroffen von der Schließung sind aber nicht nur die Asylentscheider, die bis auf Weiteres nicht mehr entscheiden dürfen, sondern auch Beschäftigte, die sich um die Integration kümmern. "Rekos" heißen diese Mitarbeiter im Bamf-Jargon, "Regionalkoordinatoren", zuständig sind sie vor allem für die Koordination von Integrationskursen. Ihnen wurde ebenfalls der Zugang zu ihrem Computersystem gesperrt, die "Integrationsgeschäftsdatei", kurz "Inge". In "Inge" ist verzeichnet, welcher Flüchtling welchen Kurs schon belegt hat, und welcher Kurs noch zu absolvieren ist.

Die Folge der Inge-Sperrung in Bremen ist, dass die Arbeit der Bremer Rekos von denen in der Außenstelle Oldenburg übernommen werden muss. Diese sind damit aber offenbar überlastet, also wurden unter anderem die Rekos in Bielefeld gebeten, für drei Monate im 170 Kilometer entfernten Oldenburg mitzuhelfen. Die Bitte ist höflich formuliert und klingt fast flehentlich: Oldenburg brauche "dringend Unterstützung", und weiter: "Mir ist sehr bewusst, dass dies für Sie eine große Herausforderung unter starker Belastung Ihres Zuständigkeitsbereichs bedeutet. Aber wenn jeder etwas hilft, kann die zusätzliche Aufgabe bewältigt werden. Lieben Dank." Das schreibt die Vize-Chefin der Außenstelle Bielefeld vergangenen Dienstag an zehn ihrer Mitarbeiter und bittet um Rückmeldung bis Mittwoch, zehn Uhr.

Vier Minuten vor zehn kommt die Antwort: Sechs Mitarbeiter, die an jenem Tag anwesend sind, haben sich abgestimmt - und weigern sich. Wegen eigener Überlastung. "Alle Rekos in Bielefeld sind mit den vorhandenen Aufgaben (...) über eine zumutbare Grenze hinaus belastet", schreiben sie. Dies sei "mehrfach und ausführlich dokumentiert" und der Außenstellenleitung gemeldet worden, trotzdem: "Die immer wieder zugesagte personelle Verstärkung (...) erfolgte bis heute nicht." Deshalb sei die Unterstützung der Kollegen in Oldenburg "aktuell nicht leistbar".

Damit offenbart sich in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, worauf Insider schon lange hinweisen: Der Integrationsbereich im Bamf sei personell zugunsten des Asylbereichs so ausgedünnt worden, dass auch hier die Arbeit nicht mehr so erledigt werden kann, wie es nötig wäre. Dabei geht es um die Integration anerkannter Flüchtlinge. Gelingt die nicht, kommen dauerhafte Probleme auf die Republik zu.

Das Bamf erklärt zur Causa Bremen-Oldenburg-Bielefeld, dass man in mehreren Außenstellen um Unterstützung angefragt habe. Auf diese Weise habe man ausreichend Personal für Oldenburg gewonnen, so dass niemand zwangsverpflichtet werden müsse. Bereits im vergangenen Jahr habe man den Bereich Integration personell verstärkt und aktuell weiteren Stellenbedarf für den Haushalt angemeldet. Rudolf Scheinost, dem Chef des Gesamtpersonalrats, der vergangenen Freitag im Innenausschuss des Bundestags die Misere im Bamf eindringlich geschildert hat, genügt das nicht: "Asyl und Integration gehören zusammen", sagte er und appellierte an die Leitung, den Bereich Integration personell zu stärken. Man müsse dringend umsteuern.

Die Bielefelder Integrationskoordinatoren denken offenbar auch politisch. Würden sie in Oldenburg aushelfen, würde dies den Eindruck erwecken, in Bielefeld gebe es genügend Personal, das überdies bislang nicht ausgelastet sei. Genau das gegenteilige Signal aber wollen sie in die Zentrale und nach Berlin senden: Wir schaffen es so nicht.

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