Asylbehörde:Tausende Bamf-Mitarbeiter bangen um ihre Zukunft

Identitätsprüfung von Flüchtlingen

Entscheiden über die Zukunft der Asylbewerber in Deutschland - ist vielen Angestellten des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die eigene Zukunft ungewiss.

(Foto: picture alliance / Daniel Karman)
  • Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bietet mehr als tausend befristet eingestellten Mitarbeitern keine Weiterbeschäftigung an.
  • Stattdessen stellt es neue, unerfahrene Kräfte ein, die noch eingearbeitet werden müssen.
  • Viele Mitarbeiter bangen um ihren Arbeitsplatz und fühlen sich schlecht über die Zukunft ihrer jeweiligen Standorte informiert.

Von Bernd Kastner, Nürnberg

Außen ist derzeit Ruhe, jetzt tobt der Sturm innen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, kurz Bamf, kommt nicht zur Ruhe. Zwar hat sich die Aufregung um den rechtsextremen Bundeswehroffizier, der sich als Flüchtling eingeschlichen hatte, gelegt, zwar nimmt der Berg unbearbeiteter Asylanträge ab. Doch nun wühlt die Personal- und Strukturpolitik unter Präsidentin Jutta Cordt das Bamf auf. Es geht um die Zukunft Tausender Beschäftigter und viele der 77 Außenstellen. "Die Mitarbeiter gehen auf die Barrikaden", sagt Rudolf Scheinost, Chef des Gesamtpersonalrats, und das ist noch recht nüchtern formuliert. Ein anderer Insider urteilt: "Unsäglich. So kann man kein Amt führen."

Der Ärger hat das Zeug zum Politikum, schließlich beschäftigen sich die Bamf-Leute mit der überaus sensiblen Aufgabe, schutzberechtigte Flüchtlinge einerseits, andererseits Trickser und gefährliche Islamisten zu identifizieren. Das Bamf ist auch eine Sicherheitsbehörde.

"Die Kollegen werden mit ihren Ängsten alleingelassen"

Die große Frage lautet: Was wird aus jenen Mitarbeitern, die in Zeiten großer Not, als Hunderttausende ihre Asylanträge stellten, mit Zwei-Jahres-Verträgen engagiert wurden? Knapp 3700 Mitarbeiter sind derzeit befristet beschäftigt, 2100 Dauerstellen sind für sie vorgesehen. Von 1050 Entscheidern, deren Verträge enden, dürfen 800 bleiben. Zwar ist das ein "noch nie dagewesenes Kontingent" an Dauerstellen, wie das Bamf erklärt, doch viele, die sich mühsam eingearbeitet haben, müssen gehen. Beste Vorbedingung für böses Blut.

Zur Zukunft hat das Bamf zuletzt verschiedene Antworten gegeben - und jeweils heftigen Widerspruch erfahren. Im Mai kam ein Entfristungsplan für alle Außenstellen - den kippte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf. Erst Mitte August stand der neue Plan im Intranet - er hielt genau eine Woche, Ende August kam der nächste. Die offizielle Begründung intern: "Berücksichtigung von Bearbeitungsnotwendigkeiten und Spezialaufgaben".

Manche Planzahlen änderten sich sprunghaft: In München etwa von 20 Stellen (im Mai) über 44 (Mitte August) auf 17 (Ende August). Oder in Regensburg von 21 über 13 auf null. In Reutlingen schrumpften 22 Stellen binnen einer Woche auf null. "Können die nicht rechnen", fragt entnervt einer der "Befristeten". Die Datenbasis ist bisher das Geheimnis der Amtsleitung.

Im gehobenen Dienst, auf der Ebene der Entscheider, heißt es nun für zehn Filialen: Entfristung "entfällt". Darunter sind die in Braunschweig, Oldenburg, Jena, Schweinfurt. Auch unbefristete Bamf-Mitarbeiter bangen dort nun um ihre Stelle: Steht der ganze Standort vor dem Aus? So breitet sich noch mehr Unruhe aus. Der Personalrat kritisiert die löchrige Kommunikation. "Das Amt informiert viel, aber zu diesem Thema leider zu spät und spärlich", sagt Personalratschef Scheinost. "Die Kollegen werden mit ihren Ängsten alleingelassen."

Wer sich nach dem 18. August für einen Standort beworben hatte, an dem nun doch nicht entfristet wird, wurde eine Woche später aufgefordert, sich neu zu bewerben. Diejenigen aber, die nicht in eine andere Stadt pendeln oder mit der ganzen Familie umziehen können, werden neue Arbeitgeber suchen müssen.

Die Unsicherheit ist groß. Wann kommt der nächste Plan mit den nächsten Zahlen, fragt einer. Ein Bamf-Sprecher erklärt, man werde mit den Bundesländern reden, weil die ihre Planungen für Erstaufnahmen derzeit änderten. Anschließend werde das Bundesamt seine eigene Struktur "prüfen". Interne Kritiker staunen schon jetzt über die Diskrepanz zwischen Bamf- und Länderplänen: In Regensburg eröffnete Bayern vor Kurzem für mehrere Millionen Euro ein neues Transitzentrum, um Asylanträge extra schnell bearbeiten zu können - dennoch soll in der dortigen Bamf-Filiale niemand entfristet werden. In Freiburg entsteht eine neue Landeserstaufnahmestelle - zusätzliche Dauerstellen beim Bamf: laut erster Planung keine, laut zweiter Planung vier.

Das Arbeitsklima leidet unter dem Durcheinander

Zur Disposition könnte auch die Struktur des Amtes stehen. Erst in der großen Krise hat das Bamf auf bundesweit 77 Niederlassungen aufgestockt. Wird dieses System in Zeiten geringerer Flüchtlingszahlen wieder eingerissen? Sollte sich das Bamf, wie in früheren Jahren, auf wenige Standorte konzentrieren, könnte man auf die nächste Flüchtlingskrise wieder nicht rasch reagieren, befürchten Kritiker. Sind Schließungen geplant? "Nein", erklärt das Bamf. Auf den Fluren des Amtes befürchten aber viele, dass genau dies nach der Wahl passiert.

Der Zoff hat längst Berlin erreicht

Groß ist der Unmut unter den "Befristeten" auch deshalb, weil neue Mitarbeiter eingestellt werden, während sie selbst um ihren Arbeitsplatz bangen. Auch die neuen Stellen sind befristet auf zwei Jahre. Das heißt: 250 der aktuell befristeten Entscheider verlieren rein rechnerisch ihren Job, obwohl sie bereits zwei Jahre in Asylrecht und Länderkunde eingearbeitet sind. Die Neuen fangen dagegen bei null an.

Der Zoff im Bamf hat längst Berlin erreicht, Mitarbeiter wenden sich hilfesuchend an Abgeordnete. Die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, hat vom Bundesinnenministerium eine nichtssagende Antwort erhalten: "Beunruhigend" findet sie das Schweigen zur zentralen Frage, wie angesichts des Verlusts an Wissen und Erfahrung die Qualität der Arbeit gesichert werde.

Viele bekommen erst nach zwei Jahren die Grundlagenschulung

Es ist die Haushaltspolitik des Bundes, die dahintersteht, wie der Bamf-Sprecher mitteilt: Für die immer noch hohe Arbeitsbelastung seien nicht genügend Dauerstellen finanziert, der Bund gebe aber Geld für befristete Stellen. Auf diese aber dürfen sich die bisher befristetet Beschäftigen nicht bewerben, das Teilzeitbefristungsgesetz verbietet das. Also müssen neue, unerfahrene Kräfte ran.

All das belastet das Klima enorm in einem Amt, in dem die Mitarbeiter wie nirgends sonst unter politischem und medialem Druck ihre Fallzahlen erfüllen sollen. In dem viele neu Eingestellte erst gegen Ende ihrer zwei Jahre zur Grundlagenschulung eingeladen werden. Vorher fehlte die Zeit: Akten mussten abgearbeitet werden, damit die Statistiken politisch passen.

In der Nürnberger Bamf-Leitung könne man "kein einheitliches Stimmungsbild" erkennen, weil die Mitarbeiter "höchst unterschiedlich" von der Entfristungsaktion betroffen seien, so ein Sprecher. "Das Bundesamt erkennt die momentan schwierige Situation für einen Teil seiner Mitarbeiter an und ist daher bemüht, allen Betroffenen möglichst schnell Klarheit über die weitere berufliche Situation zu geben." Erstmals seien neue Mitarbeiter zahlenmäßig in der Mehrheit: "Ein solch umfassender Kulturwandel braucht seine Zeit." Man reagiere darauf mit verstärkter Kommunikation.

Der Personalratschef wiederum registriert einen "heftigen Konkurrenzkampf um die Dauerstellen". Mitunter, sagt Rudolf Scheinost, werde der "mit unschönen Methoden ausgetragen. Das merken wir vom Personalrat an den Mails, die uns auch anonym erreichen. Da geht es mitunter wirklich zur Sache." Wo Miteinander nötig ist, droht das Gift des Gegeneinanders. Einer, der selbst nicht weiß, wie es für ihn weitergeht, beschreibt die Situation so: "Es wird so ein Durcheinander angerichtet, dass darunter auch die Arbeit leidet." Eine Arbeit, die eine der politisch sensibelsten in deutschen Behörden ist.

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