Die USA haben den Geheimdienstexperten Edward Snowden erneut zur Rückkehr aufgefordert. "Er sollte nach Hause kommen und den Mut haben, den Tatvorwürfen gegenüberzutreten", sagte US-Außenamtssprecher Patrick Ventrell am Dienstag in Washington.
Der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, betonte, Washington sei weiterhin in Kontakt mit Moskau wegen Snowden. Es gebe hinreichende Gründe, ihn auszuliefern. Washington hoffe, dass der Fall nicht zu einer Verschlechterung der Beziehungen zu Russland führe. Es gebe derzeit aber keine Überlegungen, die Reisepläne von Präsident Barack Obama zu ändern.
Obama will Anfang September nach Moskau reisen und danach zum G-20-Gipfel nach Sankt Petersburg. Snowden selbst hatte nach wochenlangem Verwirrspiel Asyl in Russland beantragt. Aus Angst vor Folter und Todesstrafe in den USA habe der 30-jährige Amerikaner im Transitbereich des Moskauer Flughafens Scheremetjewo am Dienstag den Antrag unterschrieben, teilte der russische Anwalt Anatoli Kutscherena mit.
"Ja, wir haben sein Gesuch erhalten", bestätigte der Leiter der russischen Migrationsbehörde, Konstantin Romodanowski, in Moskau. Der Antrag auf vorläufiges Asyl werde im Lauf von maximal drei Monaten bearbeitet, sagte Romodanowski nach Agenturangaben.
Der Computerspezialist Snowden hatte das umfangreiche US-Ausspäh- und Datenprogramm "Prism" enthüllt und wird von den US-Behörden gesucht. Kremlchef Wladimir Putin sei über den Schritt Snowdens informiert, sagte sein Sprecher Dmitri Peskow. Die Entscheidung darüber, ob Snowden nun als politischer Flüchtling anerkannt werde, treffe aber allein die Migrationsbehörde - "und nicht einmal auf Direktorenebene", sagte Peskow der Agentur Interfax. Mit seinem Flüchtlingsstatus könnte sich der Amerikaner in Russland frei bewegen und dort arbeiten.
Putin hatte am Montagabend erklärt, dass Snowden als Transitpassagier aus Hongkong am 23. Juni in Moskau "ohne Einladung" gelandet und danach an der Weiterreise gehindert worden sei. Die Schuld dafür gab er den USA. Sie hatten Snowdens Pass für ungültig erklärt. Der Kremlchef erinnerte auch an seine Asyl-Bedingung für Snowden, der bei einem Aufenthaltsrecht in Russland aufhören müsse, den USA mit seinen Enthüllungen zu schaden. Dem hatte Snowden zugestimmt.
Vorläufiger Asylstatus "aus humanitären Gründen"
Russland stellt sich angesichts der ohnehin gespannten Beziehungen zu den USA in dem Fall zunehmend als Opfer dar. Zugleich versucht der Kreml, der Angelegenheit die politische Dimension zu nehmen und sie auf eine rein rechtliche Ebene zu ziehen. Die von den USA geforderte Auslieferung des "Geheimnisverräters" lehnt die russische Führung kategorisch ab. Nach einem Treffen mit Snowden teilte der Jurist Kutscherena mit, Snowden habe sich nicht dazu geäußert, ob er nach Lateinamerika weiterreisen wolle. Dort hatten ihm mehrere Länder Asyl angeboten. Der Anwalt fügte hinzu, Snowden habe so lange gezögert, weil er sich erst mit den russischen Gesetzen vertraut machen wollte.
Snowden hält sich weiter auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo auf. Der vorläufige Asylstatus wird nach russischem Recht aus "humanitären Gründen" gewährt, wie aus einer Veröffentlichung der Behörde hervorgeht. Vorläufiges Asyl gilt zunächst für ein Jahr und kann um weitere zwölf Monate verlängert werden, hieß es. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International erwartete eine baldige positive Entscheidung der Migrationsbehörde. "Asyl muss ihm auf jeden Fall gewährt werden", sagte der Beauftragte für Menschenrechte beim russischen Präsidenten, Michail Fedotow.
Der Politologe Alexej Makarkin meinte angesichts der Machtstrukturen in Russland, allein die Tatsache, dass es nun zu dem offiziellen Gesuch gekommen sei, bedeute schon politisch grünes Licht für den IT-Experten. "Snowden ist in einer Notlage - darüber hat auch der Präsident gesprochen", sagte der stellvertretende Parlamentschef Sergej Schelesnjak von der Regierungspartei Geeintes Russland. Russland müsse ihm nun helfen.