Süddeutsche Zeitung

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge:"Dramatisches Nadelöhr" in Nürnberg

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Von Stefan Braun, Berlin

Im Streit um eine angemessene Reaktion auf die Flüchtlingskrise rückt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) immer stärker ins Zentrum der Kritik. Zahlreiche Bundesländer und die Opposition im Bundestag sprechen inzwischen von einem Versagen des Bamf. Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) erklärt, der Stau bei den Bescheiden über die Asylanträge zeige, dass das Amt nicht mehr in der Lage sei, seine Aufgabe zu schultern. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, spricht von einer totalen Überforderung des Bamf und wirft dem zuständigen Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) vor, er habe die Krise total verschlafen.

Nun gehört auch in Ausnahmesituationen das Lamentieren der Länder und der Opposition zum üblichen Geschäft. Doch da sich die nicht erledigten Asylanträge stauen und viele Flüchtlinge noch nicht einmal beim Amt registriert sind, gewinnt die harsche Kritik am Bamf massiv an Gewicht. Das hängt zuallererst an der Zahl jener Beamten des Bamf, die über einen Asylantrag gerichtsfest entscheiden. Sie hält nicht im Mindesten Schritt mit der Zahl der Flüchtlinge, die derzeit nach Deutschland kommen. Im Augenblick beschäftigt das Bamf gut 3000 Menschen, 550 von ihnen sind sogenannte Entscheider. 2012 waren es 248, ein Jahr später 283. Bis Jahresende sollen noch einmal 450 Entscheider hinzukommen. Dann werden es viermal so viele sein wie 2012 - etwa 1000.

Tendenz der Verfahrensdauer: steigend

Doch was auf den ersten Blick nicht schlecht klingt, zeigt seine Schwäche, wenn man es mit der Entwicklung bei den Asylbewerbern vergleicht. 2012 waren es knapp 80 000; am Ende dieses Jahres wird die Zahl irgendwo zwischen 800 000 und einer Million liegen. Sie hat sich verzehnfacht. Mit dem gegenwärtigen Personal wird man die Verfahren also nicht beschleunigen können. Nach scharfer Kritik aus den Ländern hatte der Bund im Herbst 2014 versprochen, die Verfahrensdauer von damals durchschnittlich 7,1 Monaten auf drei Monate zu verringern. Davon ist er weit entfernt. Vor dem jüngsten Anstieg der Flüchtlingszahlen lag sie bei 5,3 Monaten. Tendenz: wohl wieder steigend.

So gut wie alle Bundesländer sprechen deshalb von einem "dramatischen Nadelöhr" und beklagen gravierende Folgen, weil derzeit viele Flüchtlinge auf die und innerhalb der Länder verteilt werden, ohne dass sie ihren Antrag stellen konnten, geschweige denn über ihn entschieden wurde. Allerdings liegen die zeitlichen Probleme nicht nur bei den Entscheidern. Nach wie vor gibt es kein einheitliches EDV-System, mit dem Bund, Länder, Kommunen arbeiten. Entsprechend kompliziert bleibt die Kommunikation. Das aber, so ist in Berlin zu hören, liege nicht nur am Bund. Auch manches Bundesland habe dagegen bislang Bedenken geäußert.

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Quelle:
SZ vom 10.09.2015
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