Asyl:Länder rufen nach Hilfe

Vielerorts entstehen Zeltstädte, die Bundeswehr verspricht Unterstützung. Ministerpräsidenten fordern vom Bund, sich mit weiteren Milliarden an den Kosten zu beteiligen.

Von Jan Bielicki

Angesichts von mehr als tausend Menschen, die jeden Tag in Deutschland Zuflucht suchen, sehen sich Bundesländer und Kommunen zusehends überfordert. Während vielerorts, zum Beispiel in Hamburg, Dresden und Halberstadt, am Wochenende eiligst Zeltstädte errichtet wurden, um neu ankommende Flüchtlinge aufzunehmen, rufen führende Landespolitiker nach mehr Hilfe vom Bund.

Sogar die Bundeswehr soll mithelfen, die wachsende Zahl von Asylbewerbern unterzubringen. "Die Bundeswehr prüft gerade, in welcher Form sie logistische Unterstützung leisten kann", sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Sonntag in Berlin. Sachsen-Anhalts Landesregierung hatte zuvor Zelte, Sanitäter und Versorgungszüge der Armee als mögliche Form der Hilfe in Gespräch gebracht. Bislang hat die Truppe bundesweit bereits acht Kasernen bereitgestellt, in denen 3500 Menschen unterkommen können.

Laut einer Umfrage der Nachrichtenagentur dpa bei allen Landesregierungen werden sich die Ausgaben für die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern in diesem Jahr voraussichtlich mehr als verdoppeln - von etwa 2,2 Milliarden Euro 2014 auf nun mindestens fünf Milliarden Euro. So rechnet das finanzschwache Schleswig-Holstein damit, in diesem Jahr knapp 290 Millionen Euro für Flüchtlinge auszugeben. Das ist mehr als dreimal so viel wie 2014. Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) will die Bundesregierung in die Pflicht nehmen. "Der Bund wird seiner Verantwortung bisher nur zurückhaltend gerecht, vornehm gesagt", kritisierte Albig. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) forderte die Bundesregierung auf , ihre finanzielle Unterstützung an die Länder "mindestens" zu verdoppeln. "Wir brauchen massive zusätzliche Hilfen", sagte er der Welt am Sonntag . Sein Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verlangte in der Passauer Neuen Presse vom Bund, jährlich mindestens zwei Milliarden Euro in den Wohnungsbau der Länder zu stecken.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte den Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer bereits im Juni zugesagt, ihnen 2015 eine Milliarde Euro für die Betreuung von Asylbewerbern zu überweisen - statt, wie bis dahin veranschlagt, nur eine halbe Milliarde. In den kommenden Jahren, so versprach Merkel, werde sich der Bund dauerhaft an den Asyl-Kosten der Länder beteiligen. Darüber, wie diese Hilfe aussehen soll, wollen sich Bund und Länder bis Herbst einigen. Einzelne Ministerpräsidenten hatten zuvor vom Bund gefordert, ihnen für jeden Flüchtling eine Pauschale zu bezahlen - bis in eine Höhe von zusammen mehr als fünf Milliarden Euro.

Bis Ende Juni hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits fast 180 000 Asylanträge gezählt. In den ersten sechs Monaten des Vorjahres waren es erst knapp 70 000 gewesen. Insgesamt rechnet das Amt in diesem Jahr mit 450 000 Asylsuchenden. In der Dresdner Friedrichstadt bewachten Polizisten am Sonntag die neue Flüchtlings-Zeltstadt. Bei Ausschreitungen während einer Demonstration der rechtsextremen NPD vor dem Lager waren am Freitagabend drei Menschen verletzt worden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: