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Neue Anklage gegen Assange:Maßlos und ein Angriff auf die Pressefreiheit

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Es ist kein Zufall, dass die Trump-Regierung in ihrer Verachtung für die Presse mit größter Härte gegen Assange vorgeht: Der Fall Wikileaks soll dazu dienen, den Medien insgesamt Grenzen aufzuzeigen.

Kommentar von Nicolas Richter

Die neue US-Anklage gegen Wikileaks-Gründer Julian Assange ist maßlos und ein Angriff auf die Pressefreiheit. Sie übertrifft bei Weitem die bisherige Anklageversion, die Assange nur vorhielt, er habe zum Ausspähen von Daten angestiftet. Sie stellt Assange stattdessen auf eine Stufe mit Agenten, die für ausländische Regierungen spitzeln. Die Regierung Trump, die für diese Anklage verantwortlich ist, zielt damit auf die freie Presse insgesamt.

Assange soll angeblich gegen ein Anti-Spionage-Gesetz von 1917 verstoßen haben. Dieses sollte ursprünglich verhindern, dass Staatsgeheimnisse in die Hände von Feinden gelangen. Leider dient es immer öfter dazu, journalistische Enthüllungen einzudämmen. Schon unter den Präsidenten George W. Bush und Barack Obama wurden immer wieder Mitarbeiter der Regierung belangt, weil sie Informationen an Journalisten durchgestochen hatten.

Während der Staat das Verhalten von Beamten kriminalisierte, ließ er allerdings die Journalisten bisher in Ruhe. Zu Recht, denn es dürfte gegen das Grundrecht der Rede- und Pressefreiheit verstoßen, die Reporter wegen deren Veröffentlichungen zu verfolgen. Dass die Trump-Regierung jetzt in ihrer grenzenlosen Verachtung für die freie Presse mit größter Härte gegen Assange vorgeht, ist kein Zufall: Der Fall Wikileaks soll offensichtlich dazu dienen, den Medien insgesamt Grenzen aufzuzeigen.

Assange verfolgt eine rücksichtslose Transparenz-Ideologie

Nun ist Assange gewiss kein klassischer Journalist. Seine rücksichtslose Transparenz-Ideologie ist mit dem journalistischen Handwerk unvereinbar. Zuweilen gefährden Assanges ungefilterte Veröffentlichungen Menschenleben. Und die USA werfen ihm vor, er habe zu Straftaten angestiftet - wofür sich gewöhnliche Journalisten ebenfalls vor Gericht verantworten müssten. Der Journalismus darf nicht über dem Gesetz stehen.

Andererseits aber ist Assange auch kein Spion. Er hat sich im Jahr 2010 keine US-Geheimnisse beschafft, um einem anderen Staat zu helfen, sondern um die Öffentlichkeit zu informieren, zum Beispiel über den völkerrechtswidrigen Krieg der USA im Irak. Assange war ein Aufklärer, deswegen sollte das US-Spionagegesetz für ihn schon gar nicht einschlägig sein.

Die neue Anklage lässt nun erwarten, dass Assange in den USA mit einem politischen Prozess rechnen muss: Die Regierung Trump will mit jenen abrechnen, deren Veröffentlichungen ihr nicht passen. Die britische Justiz muss eine Auslieferung an die Vereinigten Staaten deswegen klar ablehnen.

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Quelle:
SZ vom 25.05.2019
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