Süddeutsche Zeitung

Ecuador:Darum wurde Assange aus der Botschaft geworfen

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Von Benedikt Peters

Als Lenín Moreno, den Blick fest in die Kamera gerichtet, der Nation mitteilte, dass er den ungeliebten Gast rauswerfe, endlich rauswerfe, da dürfte Ecuadors Präsident nicht nur an Julian Assange gedacht haben. Sondern auch an seinen Vorgänger im Präsidentenamt, an Rafael Correa. Auch ihm versetzte Moreno mit der Beendigung von Assanges Asyl einen Stoß.

Lenín Voltaire Moreno, 66, der so heißt, weil seine Eltern eine Vorliebe für politische Denker hatten, war früher ein enger Weggefährte Correas. Beide waren sie links, beide antiimperialistisch eingestellt. Mit einem entsprechenden Programm waren sie bei der Präsidentenwahl 2007 angetreten und hatten gewonnen. Moreno wurde Correas Vize und im April 2017 sein Nachfolger. Dann aber verkündete der neue Präsident einen radikalen Bruch mit dem Kurs seines Vorgängers. Es ist dieser Bruch, der letztlich dazu geführt hat, dass Julian Assange nun nicht mehr in Ecuadors Botschaft in London sitzt, sondern in Untersuchungshaft.

Im Frühjahr 2017 erschütterte eine Korruptionsaffäre die Regierung, Ecuador steckte zudem in einer Wirtschaftskrise. Moreno befürchtete, dass es ihm ähnlich ergehen könnte wie den linken Präsidenten Argentiniens oder Brasiliens, die beide ihre Macht verloren hatten. Gar nicht erst zu reden von Venezuela. Per Referendum setzte der neue Präsident zunächst durch, dass sein Vorgänger nicht mehr wiedergewählt werden konnte. Correa schäumte. Dann beschloss Moreno, den antiimperialistischen Kurs zu beenden, um wieder Geldgeber aus dem Ausland anzulocken. Er betrieb die Wiederannäherung an die USA, doch ein unliebsames Hindernis dafür saß im politischen Asyl in Ecuadors Londoner Botschaft. Correa hatte Assange im Juni 2012 nicht nur aus Mitmenschlichkeit Schutz vor einer möglichen Auslieferung in die USA gewährt. Es war ihm auch eine willkommene Gelegenheit, antiimperialistische Gesinnung zu zeigen.

Damit wollte Moreno nun Schluss machen, zumal sich Assange zunehmend als Belastung für das Botschaftspersonal erwies. In seiner Ansprache an das ecuadorianische Volk zur Verhaftung Assanges sagte Moreno, nach seiner Wahl habe die Regierung ein "Protokoll des Zusammenlebens" mit Assange vereinbart, an das er sich habe halten müssen. "Das ist das Mindeste, was man von einem Gast im eigenen Haus erwarten kann." Assange habe die Vereinbarung ignoriert und die Regeln des diplomatischen Asyls verletzt. Das Protokoll enthielt strenge Auflagen für Besucher, die der Botschaftsgast empfangen durfte. Assange weigerte sich, es zu unterschreiben - offenbar, weil er fürchtete, jeder Verstoß könnte als Vorwand genutzt werden, sein Asyl zu beenden.

Ecuador entzog Assange auch die Staatsbürgerschaft

Auch sonst wurde es nach Morenos Wahl für Assange ungemütlich in der Botschaft. Mehrmals wurde ihm das Internet abgestellt, wofür es indes gute Gründe gab. Über Wikileaks ließ Assange immer wieder sensibles Material veröffentlichen, obwohl ihm klar gewesen sein muss, dass er damit Ecuador in eine schwierige diplomatische Lage brachte. Er hackte sich offenbar sogar in das Botschaftsnetzwerk ein und fing die Kommunikation der Mitarbeiter ab. Es gab viel Streit.

Wenn Moreno noch einen Vorwand suchte, um Assange loszuwerden und ihm, wie inzwischen bekannt wurde, die Staatsbürgerschaft zu entziehen, dann bekam er ihn spätestens am 25. März. Wikileaks twitterte an dem Tag über Korruptionsvorwürfe gegen Moreno, die eine andere Plattform enthüllt hatte. Es geht um mutmaßliche Schmiergeldzahlungen beim Bau eines Wasserkraftwerks. Moreno wies die Vorwürfe zurück, sprach von einer Schmutzkampagne.

Morenos einstiger Mitstreiter hat inzwischen reagiert. In einem Interview sagte Correa, Assanges Festnahme beweise einmal mehr, dass Moreno "der größte Verräter der Geschichte" sei. "Er könnte mit Judas mithalten."

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SZ vom 13.04.2019
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