Wikileaks-Gründer Julian Assange wurde am Donnerstag in der Londoner Botschaft von Ecuador festgenommen. Seit 2012 hatte er sich dort der Strafverfolgung entzogen und politisches Asyl der Regierung von Ecuador genossen. Festgenommen wurde er auch wegen eines Auslieferungsersuchens der USA.
Was liegt aus US-Sicht gegen Assange vor?
Am 6. März 2018 ist Julian Assange vor einem Bundesgericht in Alexandria im Bundestaat Virginia in einem Geheimverfahren angeklagt worden, zwischen dem 2. und 10. März 2010 gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning unberechtigt in einen Computer der US-Regierung eingedrungen zu sein. Der Anklageschrift zufolge haben sie dafür ein Passwort gehackt.
Wikileaks:Person aus Assanges Umfeld in Ecuador festgenommen
Der Verdächtige soll sich als Wikileaks-Schlüsselakteur gegen die Regierung verschworen haben. Ecuadors Innenministerin spricht von einem "Plan der Destabilisierung".
Manning war bis zu ihrer Geschlechtsanpassung noch unter den Namen Bradley Manning bekannt. Als Soldat in der US-Armee hatte sie Zugriff auf geheime Dokumente. Der von Assange geführten Enthüllungsplattform Wikileaks soll sie unter anderem Datenmaterial über Kriegsverbrechen der US-Armee in Afghanistan und Irak zugespielt haben , die weltweit für Aufsehen sorgten. Außerdem soll sie tausende Kabelberichte diverser US-Botschaften weltweit Wikileaks übergeben haben. Die Anklageschrift wurde an diesem Donnerstag veröffentlicht.
Wer das Passwort gehackt haben soll, geht aus der Anklageschrift nicht klar hervor. Die Anklage beruft sich lediglich darauf, dass Assange zugestimmt haben soll, das Passwort zu brechen. Und zwar mit dem Ziel, an Dokumente zu gelangen, deren Veröffentlichung den USA schaden kann. Außerdem soll er Manning aufgefordert haben, ihm mehr Informationen zu liefern. Manning soll Assange der Anklageschrift zufolge an einer Stelle erklärt haben, dass sie "nach diesem Upload wirklich nicht mehr habe". Assange soll geantwortet haben, "neugierige Augen werden nie trocken, nach meiner Erfahrung". Manning soll danach dann noch die Kabelberichte besorgt haben.
Welche Strafe muss Assange befürchten und was bedeutet das für die Pressefreiheit?
Sollte die britische Regierung ihn an die USA ausliefern, drohen Assange bis zu fünf Jahre Gefängnis. Die US-Regierung hatte offenbar lange überlegt, ihn wegen Spionage vor Gericht zu bringen. In einem Spionagefall aber wäre die Weitergabe geheimer Regierungs-Daten an Dritte der entscheidende Schritt gewesen.
Im Falle einer Verurteilung hätte das die Pressefreiheit massiv gefährden können, weil jeder Journalist, der geheime Informationen veröffentlicht, mit einem Bein in einem US-Gefängnis stehen würde. Die Obama-Regierung hatte sich deswegen noch gescheut, Assange anzuklagen. Die Trump-Regierung aber glaubt offenbar, in der Art der Anklage einen Weg gefunden zu haben, Assange anzuklagen, ohne dass damit Fragen der Pressefreiheit berührt werden.
Warum konnte Assange jetzt festgenommen werden?
Assange wurde aus zwei Gründen in der Londoner Botschaft von Ecuador festgenommen: Zum einen hat Assange aus Sicht der Briten mit seiner Flucht in die Botschaft im Jahr 2012 gegen Kautionsauflagen verstoßen. Zum anderen liegt ein Auslieferungsbegehren der USA nach Sektion 73 des britischen Auslieferungsgesetzes vor. Assange hat fast sieben Jahre lang Asyl in der Botschaft bekommen, was ihn zunächst vor einem Gerichtsverfahren in Schweden wegen sexuellen Missbrauchs schützte. Die Schweden haben das Verfahren gegen Assange zwar wegen Aussichtlosigkeit im Mai 2017 eingestellt. Doch die Briten haben ihn weiter wegen des Bruchs der Kautionsauflagen verfolgt. Darum blieb er in der Botschaft. Die Regierung von Ecuador hat den Asylstatus jetzt aufgehoben und damit den Weg frei gemacht für die Festnahme von Assange.
Warum musste sich US-Präsident Donald Trump zur Festnahme von Julian Assange erklären?
Assange spielt eine wichtige Rolle in einer Sache, die mit der jetzigen Anklage und dem Auslieferungsbegehren allerdings nichts zu tun hat. Auf seiner Plattform Wikileaks veröffentlichte er ab Juli 2016 kurz vor dem Nominierungsparteitag der Demokraten in loser Folge Tausende von E-Mails, die russische Hacker im April 2016 von Servern der Demokratischen Partei gestohlen hatten. Die Mails belegen unter anderem, wie die demokratische Führung die Kandidatur von Bernie Sanders unterminiert hatte, um Hillary Clinton als strahlende Siegerin der Vorwahlen präsentieren zu können. Im Anschluss mussten wichtige Führungspersönlichkeiten der Demokratischen Partei zurücktreten.
Es gibt mehrere Hinweise, dass Trumps Wahl-Kampagne oder gar er selbst in die Veröffentlichungspläne von Wikileaks eingeweiht waren. Diese Hinweise hatten zu FBI-Ermittlungen geführt, die schließlich in den Russland-Untersuchungen von Sonderermittler Robert Mueller mündeten.
Begonnen hatte alles mit Trumps damaligem außenpolitischen Berater George Papadopoulos. Der hatte im Mai 2016 in einer Londoner Bar gegenüber einem australischen Diplomaten damit angegeben, dass Russland politischen Dreck in Bezug auf Hillary Clinton in der Hand habe. Als zwei Monate später tatsächlich die E-Mails auf Wikileaks veröffentlicht wurden, hat die australische Regierung Kontakt zur US-Regierung aufgenommen, um sie über das Treffen mit Papadopoulos zu unterrichten. Das FBI nahm danach Ermittlungen auf. Die Frage war, woher die Trump-Kampagne die Information über die E-Mails hatte. Von Wikileaks direkt oder von Russland?
Von Reportern am Donnerstag auf die Festnahme von Assange angesprochen, erklärte Trump: "Ich weiß nichts über Wikileaks, das ist nicht meine Sache." Im Oktober 2016 hatte er noch auf einer Wahlkundgebung getönt: "Wikileaks, ich liebe Wikileaks!"
Zwei enge Berater von Trump sollen einen guten Draht zu Wikileaks gehabt haben, Roger Stone und Paul Manafort. Manafort soll Assange auch persönlich getroffen haben.
Gerichtsakten zufolge haben drei leitende Mitarbeiter der Trump-Kampagne gegenüber dem FBI ausgesagt, Stone habe ihnen gegenüber den Eindruck vermittelt, dass er direkte Verbindungen in den inneren Zirkel von Wikileaks habe. Er habe sich gar als "Pipeline" zu Wikileaks angedient. Stone soll nicht nur Aktionen von Wikileaks vorhergesagt haben, sondern sich hinterher auch selbst gelobt haben für das gute Timing der Veröffentlichungen, das der Clinton-Kampagne maximalen Schaden zugefügt habe. Stone muss sich wegen der Sache jetzt vor Gericht verantworten. Er erklärt inzwischen, er habe immer nur geblufft.
Assange und Ecuador:Geschichte eines Zerwürfnisses
Dem Aktivisten wurde ein Machtwechsel in Ecuador zum Verhängnis - und der Umstand, dass er zusehends den Bogen überspannte.
Paul Manafort, damals unter anderem Trumps Wahlkampfleiter, soll sich mit Assange zu mehreren Geheimgesprächen in der Londoner Botschaft von Ecuador getroffen haben, berichtete der Guardian Ende 2018. Er soll dort mit Assange 2013, 2015 und im März 2016 zu Beginn seines neuen Jobs in der Trump-Kampagne gesprochen haben. Manafort, der demnächst eine mehrjährige Gefängnisstrafe im Zuge der Russland-Ermittlungen antreten muss, bestreitet, Assange je getroffen zu haben. Auch Assange bestreitet die Treffen.
Was geschieht jetzt mit Assange?
Assange wurde am Donnerstag dem Westminster Magistrates' Gericht vorgeführt. Was den Vorwurf angeht, gegen Kautionsauflagen verstoßen zu haben, erklärte er sich zwar unschuldig. Richter Michael Snow aber erklärte ihn in der Sache für schuldig. Assange habe sich "wie ein Narzisst verhalten, der nicht über seine eigenen egoistischen Interessen hinaus" blicken könne, berichtet ein BBC-Reporter via Twitter aus dem Gerichtssaal. Snow hat Assange an einen Strafgerichtshof (Crown Court) überstellt, der sein Strafmaß festlegen wird. Ein Datum dafür steht noch nicht fest. Im Fall des US-Auslieferungsbegehrens ist eine Anhörung für den 2. Mai angesetzt.
Warum ist Chelsea Manning nicht auch angeklagt?
Sie wurde im August 2013 für die Weitergabe der Daten an Wikileaks bereits zu einer Haftstrafe von 35 Jahren verurteilt. Präsident Barack Obama hatte sie allerdings Anfang 2017 begnadigt. Manning befindet sich seit Anfang März in Beugehaft, weil sie in dem Geheim-Verfahren gegen Assange die Aussage verweigert hat. Sie werde im Gefängnis bleiben, bis sie aussage oder bis die Geschworenen ihre Arbeit abgeschlossen haben, sagte der Richter. In einer kurzen Anhörung hatte Manning erklärt, sie erhebe Einspruch gegen die Geheimhaltung des Prozesses. Zudem habe sie in ihrer Anhörung vor dem Kriegsgericht 2013 bereits alles gesagt, was sie wisse.