Prozess gegen Julian Assange:"Er ist kein Journalist"

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In London zeigen zahlreiche Demonstranten ihre Unterstützung für den Wikileaks-Gründer. (Foto: Hannah McKay/Reuters)

Seit diesem Montag wird in London verhandelt, ob Julian Assange an die USA ausgeliefert wird. Der Wikileaks-Gründer wirkt zum Prozessauftakt unkonzentriert - und muss sich vom Anwalt der USA Vorwürfe gefallen lassen.

Von Elena Kuch und Alexander Mühlauer, London

Es ist kurz nach zehn Uhr, als Julian Assange hinter einer Glaswand Platz nimmt. Der Gründer von Wikileaks ist an diesem Montagmorgen vom Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in den benachbarten Woolwich Crown Court gebracht worden. Dort wird in dieser Woche darüber verhandelt, ob Assange von Großbritannien an die USA ausgeliefert werden soll. Kommt es dazu, drohen ihm dort bis zu 170 Jahre Haft.

Doch bevor Assange und seine Anwälte das Wort ergreifen dürfen, sind erst einmal die Vereinigten Staaten dran. Die USA werden an diesem Montag in London von James Lewis vertreten. Gut anderthalb Stunden muss Assange dem Vortrag des Anwalts zuhören. Von der Glaswand aus sieht er meist nur den Rücken von Lewis. Assange blickt immer wieder an die Decke des Gerichtssaals. Später wird er sagen, dass er sich nicht gut konzentrieren könne. Doch das liegt offenbar nicht an Lewis. Es sei der Lärm draußen vor dem Gericht, erklärt der Wikileaks-Gründer.

"Free Assange" fordern die Demonstranten dort. Einige von ihnen haben am Wochenende ihre Zelte vor dem Gericht aufgebaut. Lewis lässt sich von dem Protest nicht beeindrucken. Der Anwalt der USA ist nach London gekommen, um noch einmal klarzumachen, worum es hier aus seiner Sicht geht. Assange habe das Leben von Menschen in Gefahr gebracht, sagt Lewis. Er habe Material verbreitet, das in Teilen nicht unkenntlich gemacht worden sei. So seien Namen von Informanten, Journalisten sowie Dissidenten und anderen Menschen im Irak und in Afghanistan, die den USA und deren Verbündeten geholfen hätten, an die Öffentlichkeit gelangt.

Außerdem habe Assange sich mit der IT-Spezialistin und ehemaligen Angehörigen der US-Streitkräfte Chelsea Manning verschworen, um Rechner des US-Verteidigungsministeriums zu hacken. Assange habe Manning dazu aufgefordert, Dokumente zu stehlen. "Er (Assange) ist kein Journalist", sagt Lewis. Und fügt hinzu: Journalismus sei auch keine Entschuldigung für Verbrechen. Dieser Fall sei kein Fall, in dem Anklage wegen der Veröffentlichung von Kriegsverbrechen oder Ähnlichem erhoben werde, sagt der US-Anwalt. "Dieser Fall beschränkt sich lediglich auf die Offenlegung von Quellen, wo ein offensichtlicher Schaden vorliegt."

Assange wirkt teilnahmslos. Immer wieder lässt er den Blick durch den Gerichtssaal schweifen

Der Australier Assange, 48 Jahre alt, hatte über seine Enthüllungsplattform Wikileaks Hunderttausende geheime US-Berichte und Diplomatendepeschen veröffentlicht, die ihm von Whistleblowern zugespielt worden waren. Er arbeitete mit internationalen Medien zusammen, um den Inhalt auszuwerten, darunter New York Times, Guardian und Spiegel. Die USA werfen Assange in 18 Anklagepunkten unter anderem Verstoß gegen ein Spionagegesetz vor. Doch davon wollen Assange und seine Anwälte nichts wissen. In ihren Augen ist das Auslieferungsgesuch der USA politisch motiviert von denjenigen, die durch seine Veröffentlichungen in Erklärungsnot geraten seien. Assanges Anwälte argumentieren, dass der Auslieferungsvertrag zwischen den USA und Großbritannien eine Ausnahme vorsieht: Diese verhindere eine Auslieferung für sogenannte politische Straftaten, einschließlich Spionage. Assange will klarmachen, dass er in den USA keinen fairen Prozess zu erwarten habe. Außerdem sollen medizinische Atteste vorgelegt werden, die zeigen, dass er nicht verhandlungsfähig ist.

Fest steht auch, dass das Assange-Lager im Verhalten Amerikas einen Angriff auf die Pressefreiheit sieht. Der Vorwurf kratzt am Selbstverständnis der USA: Unter Präsident Donald Trump sei die freie Meinungsäußerung immer stärker unter Druck geraten.

An diesem Montagmorgen wirkt Assange manchmal teilnahmslos. Immer wieder lässt er seinen Blick durch den Gerichtssaal schweifen. Als er einmal aufsteht und sagt, dass er sich nicht konzentrieren könne, unterbricht ihn die Richterin. Dass er das Gesagte nicht so gut hören könne, liege daran, dass oftmals nicht korrekt ins Mikrofon gesprochen worden sei - und nicht an den Demonstranten vor dem Gericht. Sie sagt: "Herr Assange, Sie können Ihre Hand heben, wenn Sie nichts hören können." Er hebt sie. Der Ton ist daraufhin für alle besser zu verstehen.

Für seine Anhänger ist Assange ein Held, der Machtmissbrauch aufgedeckt hat. Um einer Auslieferung zu entgehen, hatte sich Assange in die Londoner Botschaft Ecuadors geflüchtet und dort sieben Jahre gelebt, bevor ihm 2019 das Asyl entzogen wurde. Er wurde von der britischen Polizei festgenommen und kam in das Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh. Eine Entscheidung über die mögliche Auslieferung an die USA wird wohl frühestens im Sommer fallen. Im Mai ist eine weitere Anhörung angesetzt. Der Vater von Assange, John Shipton, ist von dessen Unschuld überzeugt. "Es ist keinerlei Schaden entstanden", sagt er am Montagnachmittag vor dem Gericht über die Arbeit seines Sohnes. Zumindest die Demonstranten um ihn herum geben ihm recht.

© SZ vom 25.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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